laut.de-Kritik
Die Renaissance des Storytelling.
Review von Philipp GässleinNicht weniger als vier Jahre brauchten Bushido und Konsorten, um mich endlich in das Geheimnis ihres kryptischen Labelnamens einzuweihen.
Mit Gangstagetue und tonnenschweren Eiern hat es nichts zu tun: Bizzy Montana ist der einzige echte Ersguterjunge des Berliner Labels. Und das trotz - oder gerade wegen - seiner kleinstädtischen Herkunft aus dem badischen Mühlheim.
Angesichts des sicherlich nicht ganz unverschuldeten täglichen Struggles ein guter Junge zu bleiben, das braucht etwas mehr als Koka schnupfen, Omas erschrecken und sich mit der benachbarten Gang um das bessere Handy zu kloppen. Das Herabwürdigen von Homosexuellen, Frauen oder Establishment - man versteht es unter Umständen. Das Attribut "gut" verdient ein solches Verhalten trotzdem nicht.
Wenn Bizzy Montana aus dem Nähkästchen plaudert, gibts keinen nervtötenden Narzissmus. Von seinen Lippen kommt kein dröges Abfeiern der eigenen Perspektivlosigkeit. Vielmehr berichtet er beinahe nüchtern objektiv aus einem Leben, das die meisten Deutschen nie kennen lernen oder es zumindest schnell hinter sich lassen und mit aller Kraft vergessen wollen. "Mukke Aus Der Unterschicht" - der Titel passt wie die Faust aufs Auge. Unabhängig davon ob sein Vater nun Schlosser oder Neurologe sein mag.
"Kleiner Bruder", "Entweder Oder" und "Das Mädchen Aus Dem Balkan" geben der Scheibe ihr Fundament: die Renaissance des Storytelling. So zielsicher ein Dendemann mit seinen Geschichten den Nerv seiner Hörergruppe trifft, so genau schießt Bizzy auf die Emotionen der Rapfans im Zeitalter von Hartz IV.
Seine Labelkollegen steckt er dabei nicht nur wegen überlegenem Flow und grandios charakteristischer Stimme in die Tasche - in erster Linie punktet er mit einer gnadenlos entwaffnenden Ehrlichkeit.
"Halt den Kopf her, weine nicht, ich bin für dich da / Alles Blödsinn, es geht nur um die Zahlen in den Charts / Gib nicht auf, bleib am Ball und die Hoffnung stirbt zuletzt / Junge, fick was sie sagen und komm klar oder geh weg." Die Liste der Rapper, die er mit diesen Zeilen disst, ist wohl um einiges länger als Fiftys in "Piggy Bank".
Freunde wird er sich damit bei den Azads und Savas dieser Welt kaum machen - Recht hat er möglicherweise trotzdem. Um so besser wirkt sich Bizzys Einfluss auf Chakuza aus - der Linzer hatte selten bessere Parts als im Zusammenspiel mit dem Badener gegeben. Das gilt für das Mixtape "Blackout" ebenso wie für die Tracks "Stunde Null" und "Leuchtturm".
Außer Chakuza, um auch mal zu den durchaus vorhandenen Angriffspunkten zu kommen, sind die Gäste allerdings kein großer Gewinn. Statt des Mannheimers Sprachtot hätte man besser eine weitere Basslinie eingefügt, während RAF Camora wie eine Kopie des Labelkollegen Baba Saad klingt. Auch die Gastproduzenten Beatlefield, Tobstarr und katch22 & E. Ökmen bereichern "M.a.d.U. 2" nur bedingt.
Nicht, dass sie ihre Sache schlecht machen würden: Insbesondere Beatlefield übertreffen mit ihren drei Beiträgen Bizzy als Produzent deutlich. Generell gehen die Beats der Scheibe für sich gesehen klar. Trotzdem bleibt die Auswahl der Instrumentals alles in allem zu monoton.
Melancholie, Tristesse, vertonte graue Tage prägen den musikalischen Grundtenor, und der wird gnadenlos durchgezogen. Sicherlich gefallen mir tiefgehende Texte und Themen besser als ununterbrochenes Partygeblubber - den Protagonisten des Albums am Ende mitleidsvoll in den Arm nehmen zu wollen, ist jedoch sicher nicht das Ziel der Tracks.
Dennoch: Ein Straßenrapper, der die Straße nicht glorifiziert, sondern nüchtern über deren Zoten und Status Quo berichtet, das gefällt. Damit wiederbelebt Bizzy Montana die mit Royalbunker traurigerweise untergegangene Realness des Genres und erzeugt den ewigen Kritikern, die er zu zerreißen droht, ein schlechtes Gewissen.
Bizzy Montana entpuppt sich als bestes Pferd im Stall der Ersguterjungen, auch wenn sein Potenzial der zweiten Runde der "Mukke Aus Der Unterschicht" noch immer nicht gänzlich gerecht wird. Aus der Unterschicht mag die Mukke zwar kommen, ins Herz treffen kann sie jedoch jeden.
41 Kommentare
Bizzy Montana
M.a.d.U. 2 (Mukke Aus Der Unterschicht)
Das beste Pferd im Royalbunker-Stall.
Äh was?
Warum nur 3 Punkte dann, bei den ganzen aufgezählten positiven Aspekten? Weil er bei EGJ ist? Meiner Meinung nach hätte der Junge für das Werk mindestens 4, wenn nicht sogar 5 Punkte verdient. das bisher beste Release das von EGJ kommt. Allgemein zähle ich Bizzy zu den besten rappern des landes.
Edit: weiterer fehler gefunden (zum dem von meinem Vorposter) - es heißt: "es geht nur um die ZAHLEN in den Charts"
@Reptile (« Bizzy Montana
M.a.d.U. 2 (Mukke Aus Der Unterschicht)
Das beste Pferd im Royalbunker-Stall.
Äh was? »):
Review nicht gelesen ?
das album gefällt mir relativ gut, da es sich vom thema her von der breiten masse unterscheidet, allerdings sind alle features außer chakuzas für das album nicht fördernd.
Leider wird das album aufgrund der aufeinander abgestimmten trackzusammenstellung recht schnell eintönig und konnte mich deswegen nicht allzulange fesseln.
madu1 ist weitaus weitaus besser als dieses lieblos dahingerotzte nachfolgeralbum
@Garret (« madu1 ist weitaus weitaus besser als dieses lieblos dahingerotzte nachfolgeralbum »):
ist ja nich sein album, sondern nur ein "vorreiter"...