laut.de-Kritik

Freezus! John Frusciante geht jetzt mit Hip Hop.

Review von

"Was talkst du? Frusciante produziert den Wu?" Als Zapato El Don vom neuen Black Knights-Werk erfährt, tanzt er seinen gefürchteten Schuh-Plattler quer durch die Redaktion und feuert dabei dem Wahnsinn nahe wilde Whatsapp-Nachrichten im Möchtegern coolen Straßenslang ab.

So viel ungestüme Liebe für ein Album aus der großen und nicht immer hochwertigen Wu-Tang-Familie gab es selbst von Shaolin-Stans seit 1998, seit La The Darkmans "Heist Of The Century" oder Killah Priests "Heavy Mental" nicht mehr. Der Hauptgrund für die helle Aufregung: John Frusciante.

"Hip Hop zu produzieren ist die spaßigste musikalische Zusammenarbeit, die ich jemals eingegangen bin. Und es ist die purste", erklärt jener Frusciante, seines Zeichens Gitarrengott, ehemaliges Mitglied der Red Hot Chili Peppers und Multiinstrumentalist, in einem Interview dem amerikanischen Billboard-Magazin.

Als Inspiration für seine Beats auf "Medieval Chamber" standen dann auch Johns langjährige Kumpels Rick Rubin und der RZA Pate: keine ganz schlechten Mentoren. Dank Rubin poltern die Live-Drums druckvoll, und wie der RZA versteckt der 43-jährige Derwisch in seinen eigenen Loops immer neue Sounds und Stimmungen. Selbst offensichtliche Beat-Änderungen zerstören den jeweiligen Song nicht.

Im fast hit-verdächtigen "The Joust" wechselt der Magier von einem elektronisch ballernden Nackenbrecher in der Bridge in einen von verquerem Piano-Geklimper geprägten Kopfnicker der klassischen Schule. Der selbstgesungene Hook erscheint dagegen wie Frusciante pur: mächtig und melancholisch.

In "Trickfingers Playhouse" adaptiert er kurz Paul Simons "El Condor Pasa" und mixt dazu Old School-Snares und klassische Klavier-Loops aus der Frusciante-Kammer. "Sword In Stone" klackert munter hinten herum, während vordergründig pathetischer Gospel-Boom Bap dominiert.

Und diese Synthies zwischendurch! Hach, ein Genuss. So viel passiert neben der Spur. John hat seinen RZA studiert und kombiniert dessen musikalisches Genie mit der Melancholie des weißen Mannes und den harten Raps und Straßenpoesie der Black Knights Rugged Monk und Crisis.

Einst castete der RZA die ehemals vierköpfige Truppe direkt von den Straßen L.A.s für sein Killerbienen-Camp. Nach Kollabos auf "8 Diagrams" wurde auch Frusciante Teil der großen Wu-Familie. Die beiden Rapper gehören zwar wahrlich nicht zur vordersten Garde, erledigen ihre Arbeit im Folgenden aber fast gangbangfrei, trotzdem straßentauglich, ohne Allüren und nach all den Jahren noch überraschend hungrig.

Wenn auf "Drawbridge" die Knarren klicken, Synties und Streicher die Hektik an der Corner in Compton symbolisieren, flowen Monk und Crisis im klassisch-Wu'schen Weisheit-Style und bilden eine stimmige, nie langweilige Einheit. John freut sich also zu Recht über sein Duo: "Ich wäre nicht glücklicher, wenn ich Ice Cube oder ODB hätte."

Und was macht der Job vom Kollegen Schuh? Der ruht natürlich. Stattdessen diggt der Gute mit dem Schnauzer voran im Titeltrack "Medieval Times". O-Ton aus dem Chat: "Was für ein Freak der Frusciante! Er singt hier im Hook vier Zeilen ('Things must change / We must re-arrange them / All that I'm saying / A game's not worth playing / Over and over again') aus dem vielleicht unbekanntesten Depeche Mode-Track überhaupt - 'The Sun And The Rainfall' von 1982. God save this man!!!

Tja, wenn Depeche und Frusciante in einen Song fallen, fallen bei laut.de sämtliche Schranken für den Gebrauch von Ausrufezeichen. Doch der Schuh hat natürlich Recht: "Medieval Times" schleppt sich prog-rockartig mit den (übrigens immer wieder mit Killabeez-Zeilen getränkten) Depeche-Chören durch die verlassenen Vorgärten der Slums.

Frusciante fühlt sich hörbar wohl: "Die Regeln von Hip Hop lassen mir alle Freiheiten. Hip Hop kann jeden Stil absorbieren, ich denke, noch besser, als es Rocknusik vermag. So kann ich Synth-Pop machen, ich kann total abstraktes Zeug ohne jede Melodie machen, ich kann Rock machen. Ich kann tun, was immer ich will. Es ist die Musikform, in der ich vollständig frei sein kann."

Wir danken. Wir danken für den über einen Kopfnicker gesungenen Elfen-Hook in "Knighthood", für die mächtigen Chöre und wabbernden Synthies in "Roundtable" und für den Sonnenaufgang in der zweiten Hälfte von "Roundtable Discussion". Kopf nickt, Kopf fickt. Mächtig.

Yeezus? A Better Tomorrow? Raekwon? Nah, Freezus bringt uns die Renaissance der Wu-Tang Killa Beez. Zwei weitere Alben in dieser Konstellation sind für 2014 bereits angekündigt. "Everybody goes where he belongs", sang Frusciante einst auf "Unchanging". John geht jetzt mit Hip Hop. Oder anders gesagt: The will to Wu keeps all of us alive!

Trackliste

  1. 1. Drawbridge
  2. 2. The Joust
  3. 3. Medieval Times
  4. 4. Trickfingers Playhouse
  5. 5. Sword In Stone
  6. 6. Knighthood
  7. 7. Deja Vu
  8. 8. Roundtable
  9. 9. Keys To The Chastity Belt
  10. 10. Camelot
  11. 11. Never Let Go
  12. 12. Wayne Remix
  13. 13. Liquid Sky
  14. 14. Roundtable Discussion

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