laut.de-Kritik

Scooter für die Darkwaveszene.

Review von

Mit ihrer aktuellen CD feiern Blutengel ihr zehnjähriges Bestehen. Im Laufe der Dekade hat sich Bandchef Chris Pohl mit wechselnden Mitstreiterinnen zu einem der kommerziell relevantesten Darkwaveacts im deutschsprachigen Raum gemausert.

Das neue Opus teilt sich in zwei musikalisch vollkommen unterschiedliche Parts. Die eine Hälfte - "Schwarzes Eis" - bietet den gewohnten Mix aus Elektrogothsongs; die andere - "Behind The Mirros" - besteht aus rein instrumentalen Fragmenten.

Leider haben auch die altbekannten Schwächen ebenso ihren zehnten Jubiläumstag. Diese liegen seit Beginn im Gesang, den Lyrics und den vielen flachbrüstigen Lückenfüllertracks. Ähnlich ist es auch auf "Schwarzes Eis". Das Gros der Tracks bringt dem Konsumenten simpelsten poppigen Dancegoth.

Das geht mitunter fast in Richtung Scooter - minus Geschrei - für die Darkwaveszene. Ein abschreckendes Paradebeispiel dafür ist "Dancing In The Light". Die Texte befinden sich ebenfalls erneut auf sehr überschaubarem Niveau und zeugen von recht limitiertem Wortschatz.

"Schatten, Dunkelheit, dunkel, Nacht, Schmerz" und ähnliche Gothindikatoren bringt Pohl häufig und wiederholt; teils auch in englischer Sprache. Das führt im Ergebnis dazu, dass die musikalische und lyrische Variabilität gen Null tendiert.

Der Gesang Pohls reißt ebenso seit jeher keine bäume aus. Wenn er bei "Schneekönigin" wie ein magenkranker Peter Heppner intoniert - "Am Horizont steht ein Engel aus Eis. Die Kälte in mir bringt die Wahrheit zurück", fühlt man sich eher an Gefrierkost erinnert denn an erhaben eisige, himmlische Wesen.

Die female Vocals bringen da oft auch keine atmosphärische Linderung. "Kind der Nacht" konterkariert den lamentierenden Text total. Die Sängerin zieht ihre die Stimme ohne jedes Volumen derart nach oben (Wo bist du jetzt?). Jegliche Ausstrahlung einer stolzen Gothchanteuse verkommt zu realsatirischem Betroffenheitssingsang. Es fehlen nur noch Blockflöte und Dutt.

Wer das bis zum Ende durchhält und danach trotzdem den zweiten Teil "Behind The Mirror" einwirft, erlebt auch keine handfeste Überraschung. Ohne die anstrengenden Vocals und Lyrics ist die Musik deutlich hörbarer.

Die kleine Pianoskizze "Mirror I - Birth" entfaltet sogar eine Menge melancholisch-psychedelischen Charme. Das beste Lied der gesamten Laufbahn! Es geht also doch!

Die restlichen Tracks sind leider nur halbgare Collagen, die mal gen Industrial tendieren, mal meditativ anmuten. Unausgegoren und weitgehend nur auf Effekten beruhend, dümpeln die Fragmente inspiriationslos dahin, bis es dann (endlich) vorbei ist.

Trackliste

  1. 1. Behind The Mirror
  2. 2. Kind Der Nacht
  3. 3. City Lights
  4. 4. My Nightmare
  5. 5. Pure Life
  6. 6. The Only One
  7. 7. Dancing In The Light
  8. 8. Schneekönigin
  9. 9. My Darkest Night
  10. 10. The Dream
  11. 11. Dreh Dich Nicht Um
  12. 12. Broken Girl
  13. 13. Secret Places
  14. 14. Schatten
  15. 15. Nightfall
  16. 16. Mirror I Birth
  17. 17. Mirror II Journey
  18. 18. Mirror III Confusion
  19. 19. Mirror IV Seduction
  20. 20. Mirror V Hope
  21. 21. Mirror VI Suffering
  22. 22. Mirror VII Homecoming
  23. 23. Mirror VIII Death

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LAUT.DE-PORTRÄT Blutengel

Blutengel, das ist in erster Hinsicht Christian Pohl. Mit seinem Hauptberuf als Kopf des Projektes Terminal Choice, das er 1993 aus der Taufe hebt, scheint …

24 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Etwas in der Art denkt sich ein ernstnehmbarer Szeneteil auch bereits seit zehn Jahren. Darf man denn nicht in einer Rezension schreiben, dass die Protagonisten tatsächlich und zweifelsfrei "Musik" machen, um einer implodierenden Szeneschaft das letzte schwarze Hemd auszuziehen? Man muss sicher nicht die weiteren "Projekte" des Herrn Pohl heranziehen, um darauf zu kommen - man dippt doch bereits mit Nase im Häufchen, wenn die ersten acht Takte (glücklicherweise schon) verklungen sind. Immergleiche Jämmerlichkeitsverse verdienen längst nicht den Terminus Lyrik.

    Machen wir's kurz: Blutengel sind leider Aushängeschild einer Szene geworden, die allerdings mit eben Blutengel-Käufern und - tolerieren nichts besseres verdient hat. Die zweifelhaften Helden der jüngeren Szene würden sonst nirgend Gehör finden. Mit recht.

  • Vor 15 Jahren

    Hab das Album zwar nicht gehört, aber seltsamerweise kann ich mir schon denken wie es klingt ;)
    Seelenschmerz fand ich damals noch ein gutes Album, so schlecht abgemischt und grauenhaft gemastert hatte das schon einen gewissen Charme. Aber danach wurds immer weichgespülter und die Texte immer schlechter...
    Also verzichte ich wohl auf dieses Pohlsche "Meisterwerk"...^^

  • Vor 15 Jahren

    @Anagnorisis (« Hab das Album zwar nicht gehört, aber seltsamerweise kann ich mir schon denken wie es klingt »):

    Dto. Nein, eigentlich weiß ich's sogar.
    @Anagnorisis (« Seelenschmerz fand ich damals noch ein gutes Album (...) »):

    Was???
    @Anagnorisis (« so schlecht abgemischt und grauenhaft gemastert hatte das schon einen gewissen Charme. »):

    Achso.
    @Anagnorisis (« Aber danach wurds immer weichgespülter und die Texte immer schlechter... »):

    Pardon, aber hatten denn die, nunja, Texte überhaupt eine winzigkleine Chance noch schlechter zu werden? Ich meine, dass ich da im Grunde nichts getan hat. Es gab einst so 'ne Gedichts-Generatoren im Netz. Man hat einfach z.B. Namen oder Kosenamen des Angehimmelten eingegeben und vielleicht noch eins, zwei spezielle Stichwörter eingehackt und dann wurde da ein Gedicht draus gemacht. Und Chrissi hat wahrscheinlich genau das seit Anbeginn von Blutengel getan. "Schwarz", "Kalt", "Schatten" etc.pp. rein, Knöpfchen drücken und nehmen, was immer auch kommen mag. Gar nicht so blöd, wenn man sich die Arbeit etwas erleichtern möchte - und das wollen wir doch schließlich alle wann immer es geht.
    @Anagnorisis (« Also verzichte ich wohl auf dieses Pohlsche "Meisterwerk"...^^ »):

    Genau. Man kann ja auf das sicherlich bereits am Horizont aufziehende Terminal Choice-Meisterwerk warten...*hüstel* oder, wenn's das noch gibt, Seelenkrank oder Pain Of Dingsbums oder Tumor oder sein, wie ich grad erfahre neues Projekt Miss Construction. Alles sicher ganz dolle neu und aufregend und nie dagewesen und alles in den Schatten (*ups) stellend...und so fort.