laut.de-Kritik
Zeitlose elektronische Musik von beispielloser Erhabenheit.
Review von Daniel StraubDass "Tomorrow's Harvest" in diesen Tagen tatsächlich in Plattenläden und Online-Stores ausgeliefert wird, kommt schon einer kleinen Sensation gleich. Acht Jahre liegen zwischen dem letzten BOC-Longplayer "The Campfire Headphase" und heute.
Da alle Releases von Michael Sandison und Marcus Eoin längst als Klassiker gelten, tritt "Tomorrow's Harvest" in große Fußstapfen und kann eigentlich kaum etwas richtig machen. Potenzial genug also für ein grandioses Scheitern, aufgerieben zwischen den enormen Erwartungen des Publikums und den eigenen, vermutlich kaum geringeren Ansprüchen. Aber Boards Of Canada blenden diese Rahmenbedingungen scheinbar mühelos aus und setzen mit "Tomorrow's Harvest" genau dort an, wo sie 2006 mit der EP "Trans Canada Highway" aufgehört haben: Sie schaffen zeitlose elektronische Musik von einer beispiellosen Erhabenheit.
Diese beinahe schon sakrale Ausstrahlung findet sich in jeder ihrer Veröffentlichungen. Früher ging sie mit einer beinahe hippiesken Glückseligkeit einher, der die beiden Schotten eine diffuse Dunkelheit injizierten, um sie vor dem Abdriften in Electronica-Kitsch zu bewahren. Diese Gratwanderung vollziehen sie auch heute wieder in Perfektion und eröffnen das Album nach ironisch dick aufgetragenen Fanfarentönen mit einem Melodie-Loop, das im Stile eines bizarr verzerrten Kommentars zum trancigen Sound der 90er Jahre durch zahlreiche Effekte gejagt wird.
Mit "Reach For The Dead" kehrt dann die Ernsthaftigkeit zurück. Die ersten Sampleschleifen dürfen für sich allein gestellt rauschen und knacken, bevor sich vorsichtig Synthieflächen auf ihnen breit machen, einzelne Beats einsetzen, sich Takt für Takt zu einem Rhythmus verdichten und dem Track nach knapp drei Minuten helfen, sich in voller Blüte zu entfalten.
Schon danach ist klar: Boards Of Canada schwingen sich mit den 17 Tracks von "Tomorrow's Harvest" auf, einen neuen Klassiker zu kreieren und gleichzeitig ihren Sound vorsichtig weiter zu entwickeln. Die üppige Ausgestaltung von "Music Has The Right To Children", "Geogaddi" und "The Campfire Headphase" wurde insgesamt etwas ausgedünnt und der Einsatz der Sounds gerät minimalistischer, wie die Beispiele "Cold Earth", "Transmisiones Ferox" und "Palace Posy" am besten veranschaulichen.
Derweil bietet "Jacquard Causeway" Raum für dunkle Experimente, die Boards Of Canada ganz unerwartet in die Nähe des herausragenden Coil-Releases "Horse Rotorvator" von 1986 rücken.
Mit "Tomorrow's Harvest" gelingt Sandison und Eoin eine große Rückkehr und man kann nur hoffen, dass die Schotten sich schon bald wieder im Studio treffen, um neue Tracks einzuspielen. Denn kaum einem elektronischen Act gelingt es, Qualität in dieser Konstanz zu formulieren.
5 Kommentare
Yiep, so sieht's aus. Ist nichts mehr hinzuzufügen.
Haben will.
Habs mir gestern gekauft, tolles ALbum. Rezension spricht wenig detailiert über die Musik, aber bei der Platte verständlich. Sollte man einfach hören, Stimmung ist nicht einfach in Worte zu fassen!
music has the right.. íst eins meiner absoluten lieblingsalben. gibt kaum andere künstler, die eine ähnliche atmosphäre schaffen. bin ja mal mega gespannt auf die neue platte.
Für mich ist 'The Campfire Headphase' bisher ihr Meisterwerk, die beiden Vorgänger und jede Ep sind aber ebenfalls alle große Klasse.
Das neue Album habe ich erst zweimal ganz in Ruhe gehört und kann noch nicht so viel dazu sagen aber es klang sofort vertraut nach Boards of Canada und dennoch unheimlich aufgrund dieser unglaublichen Atmosphäre wie auf jedem Boards of Canada Output. BOC können scheinbar nichts falsch machen.