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Der Meister der Space-Ästhetik und feinsinnigen Ironie meldet sich samt Sternchen-Sonnenbrille zurück. Eigentlich tut er das schon seit Oktober. Obwohl Bootsy Collins seinen Self-Release kaum bewarb und dann noch mit einem halben Jahr Aufschub Verwirrung stiftete, hält er am abgefahrenen Titel "Album Of The Year #1 Funkateer" fest.

Dabei kann man einen vorläufig digitalen Longplayer, den der YouTube-Algorithmus in den ersten zehn Tagen nur drei Prozent der eigenen Abonennt:innen ausgespielt hat, kaum als Platte des Jahres bezeichnen. Aus verschiedenen Gründen kratzt die fehlende Reichweite aber rein gar nicht am Nimbus dieses Werks.

Da wäre zum einen der Coolness-Faktor der Musik, deren catchy Zeilen (Beispiel: "I'm your alien Venus flytrap (...) In a galaxy of stars / I see only you, my live / no other faces will grace / just let me ride your Milky Way (...) as we make love in outta space") ähnlich butterweich bounzen wie die Herzschlag-Bässe und Sopran-Begleitung diverser Gaststimmen.

Zum anderen versammeln sich illustre Namen wie Snoop Dogg ("Hundo P"), Wiz Khalifa ("The Influencers") , Ice Cube ("Bubble Pop"), Musiq Soulchild ("Reach The Zone") und Eurythmics' Dave Stewart ("Alien Flytrap", "The Influencers" und mit klarer Stewart-Handschrift "Satellite") auf der Platte. Ob aus Hip Hop, Neo-Soul oder Euro-Rockpop, alle fügen sich gut ein. Das gilt auch für die Co-Sängerinnen Fantaazma, Barbie T., Myra Washington und die 20 weiteren Gäste von geringerem Bekanntheitsgrad wie Rapper Harry Mack.

Es gehe ihm auch exakt um die Energie der meist jüngeren Leute, erläutert der 73-jährige Collins. Daneben dürften Bootdullivan, Bootzilla und Bedroom Bootsy lediglich Alter Egos von ihm, dem Gastgeber, sein. Das P-Funk-Team scheint jedenfalls seinen Spaß gehabt zu haben, wie sowohl der sonnige und quirlige Sound als auch das Video zur Single nahe legen. Zu Bootsy gehören die visuellen Corporate Identity-Insignien, beispielsweise die roboterhaften Tanzschritte, Weltraum-Atmosphäre und sein Schornsteinfeger-Hut.

Dazu spielt er zeitgemäß auf die künstliche Intelligenz an und erhebt sie zur Songfigur mit Gefühlen ("I.Am.AI"). Der Fun-Faktor seitens des Personals, das solche teils bedrohlichen Phänomene von der humorvollen Seite angeht, überträgt sich beim Zuhören, auch wenn die Freestyle-Poetry freilich oft in Nonsens mündet ("I'm a vegetarian, but I do like meat"). Bootsy setzt dem Mainstream-Sound unserer Zeit zwischen Depri-Drill, Kiff-Trap, Jammer-Pop und Plug-In-Dance viel entgegen - fette Resonanzen, elastische Beats und schon im Opener und Titellied die Aussage "I have no fear".

Es gibt musikhistorische Bezüge wie die Referenz an Funk-Godfather James Brown in "The JB's Tribute Pastor P" mit Fred Wesley an der Posaune, 90er-Jamiroquai-Sound durchsetzt mit Boom Bap ("Bubble Pop"), schwül-schwitzigen Westcoast-G-Funk ("Fishnets", "Hundo P", "BeWild"), Nineties-Rap-Metal-Ästhetik ("Barbie T And Me - Tribute To Buckethead") und Y2K-Urban-Vibes ("2Nite We Rise", "Chicken And Fries") samt D'Angelo-Neo-Soul ("Anybody Out There").

Andererseits kreuzt eine Crew um Casper The Funked Up Ghost, Kid Talk und Collins auch mal futuristisch und frech Industrial-Punk-Riffs mit R'n'B ("Ubiquitous"), und zeitgenössische Thundercat-Blood Orange-Smooth Soul-Grooves treffen auf witzige Scratches und Loops ("I.Am.AI"). Die leicht eingängigen Lyrics bedienen sich sehr oft kulinarischer Metaphern von Kirschkuchen ("Pure Perfection") über frittiertes Fast Food bis zu allem, was süß schmeckt. In aller Regel stehen diese Metaphern für den Austausch der Geschlechter.

Der legendäre Bassist produzierte das Album weitgehend ohne Hilfe der Musikindustrie selbst und releast es unter dem Labelnamen Bootzilla, der auf einen seiner Klassiker von 1978 verweist. Bootsys Frau 'Pepperminte' Patti organisierte vorletztes Jahr ein Ein-Tages-Festival unter dem Titel "Funk Not Fight", dessen Einnahmen in ein Projekt zur Gewaltprävention unter Jugendlichen in Compton flossen. "Funk Not Fight" heißt auch ein (schwächerer) Outtake, der nicht zum Album gehört, aber aus denselben Aufnahme-Sessions stammt und ebenso durch die Streaming-Dienste schwirrt.

Bootsy hat sich für "Album Of The Year #1 Funkateer" auf 18 Tracks ohne einen Filler beschränkt, allesamt charakterstarke Nummern. Zum Release gibt es eine kleine CD-Auflage. Für Ende Juni/Anfang Juli ist Coloured Vinyl in den Farben Erdbeerrot und Sonnenblumengelb über Jay-Zs Roc Nation-Label bei ausgewählten Handelsketten geplant.

Trackliste

  1. 1. Album Of The Year #1 Funkateer
  2. 2. The JB's Tribute Pastor P
  3. 3. Bootdullivan Is Soopafly
  4. 4. The Influencers
  5. 5. Bubble Pop
  6. 6. Fishnets
  7. 7. Satellite
  8. 8. Ubiquitous
  9. 9. Hundo P
  10. 10. Chicken And Fries
  11. 11. Pure Perfection
  12. 12. Anybody Out There
  13. 13. BeWild
  14. 14. Alien Flytrap
  15. 15. Reach The Zone
  16. 16. 2Nite We Rise
  17. 17. I.Am.AI
  18. 18. Barbie T And Me - Tribute To Buckethead

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