laut.de-Kritik

Zu intensiven Vocals donnern die Bässe.

Review von

Wer sich vom stumpfen Rap-Feature "Baby Mama" mit Chance The Rapper und dem realsatirisch stereotypen Video nicht abschrecken lässt, bekommt von Brandy ein angenehm gefühlsduseliges, leichtfüßig gleitendes, charmant unaufgeregtes R'n'B-Album serviert. Die Crux: Tagsüber und nebenbei gehört, wirkt "B7", das siebte Album der Neo-Soul-Chanteuse, nicht annähernd so stark wie abends oder nachts.

Zu viel Message, zu viel Input. Man muss Zeit mitbringen, das Licht ausknipsen und sich voll auf diese hypnotische Stimme einlassen, um die Introspektion mitzukriegen. Die Platte will edel und mondän daherkommen, mit Pathos. Manche Blubbertöne haben zwar eine gewisse Nähe zu Lounge-Musik, strahlen aufgrund des hohen Produktionslevels aber doch so etwas wie Charisma aus. Dank Brandys Feeling fürs Soul-Heritage finden sich auch viele überzeugende Momente.

Der Ohrwurm auf "B7" heißt "Say Something". Die Midtempo-Ballade mit elektrischem Piano, dem donnerndsten Basspumpen des Jahres und ein paar Bläser-Samples drängt geradezu in die Urban-Playlists. "Lucid Dreams" hingegen wiederholt die Fehler der vergangenen Jahre, in denen zu viel in Cloud-Rap-Atmosphäre mit reduzierten Arrangements und hysterischen Billig-Clap-Beats investiert wurde. Der Track bleibt dennoch ein Ausrutscher.

Brandy findet auf den anderen Nummern vielmehr ihren eigenen Weg und knallende Momente. Ein weiterer Ohrwurm heißt "High Heels (feat. Sy'rai)". Die dumpfen Bässe und das enervierende Streicher-Sample wären jeweils für sich alleine eher geschmacklos, aber im Kontrast machen sie fast süchtig. Zudem könnten Brandy und die raue Stimme ihrer Tochter (!) kaum kontrastreicher ausfallen.

"I Am More" punktet mit Amplifier-gestärkter Gitarre, "Bye BiPolar" verarbeitet den Umgang mit seelischer Erkrankung ("Bye BiPolar") und "Love Again (feat. Daniel Caesar)" ist ein süßes Soul-Duett. Gut kommen anstelle der sonst genreüblichen Voicemail-Atmo-Interludes auch die instrumentalen Synth-Wabbel-Fragmente "All My Life, Pt. 1" bis "Pt. 3".

Brandy geht es auf der Platte um ihr Leben. Im Laufe der achtjährigen Pause schaffte sie es, sich wieder zu berappeln: In diese Songs habe sie "eine Menge Qualen und Schmerzen" gepackt und dies überwunden, sagt sie. Am deutlichsten merkt man das wohl dem ein oder anderen Text ("Unconditional Oceans") und ihrer nachdrücklichen Stimme an, zu der die Bässe kraftvoll rummsen."B7" dürfte in Erinnerung bleiben.

Trackliste

  1. 1. Saving All My Love
  2. 2. Unconditional Oceans
  3. 3. Rather Be
  4. 4. All My Life, Pt. 1
  5. 5. Lucid Dreams
  6. 6. Borderline
  7. 7. No Tomorrow
  8. 8. Say Something
  9. 9. All My Life, Pt. 2
  10. 10. I Am More
  11. 11. High Heels (feat. Sy'rai)
  12. 12. Baby Mama (feat. Chance The Rapper)
  13. 13. All My Life, Pt. 3
  14. 14. Love Again (feat. Daniel Caesar)
  15. 15. Bye BiPolar

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