laut.de-Kritik
DIY-Granate eines Straßenmusikanten.
Review von Alexander CordasEs sind die glücklichen Momente eines Schreiberlings, wenn aus purem Zufall - oder Fügung des Schicksals - ein Album auf dem Tisch aufschlägt, das einen völlig in den Bann zieht. Dass die Mucke auf diesem Longplayer völlig eigenständig und erstklassig wirkt, ist das eine. Dass hinter diesem Projekt ein Charakterkopf steht, der mit Leib und Seele das verkörpert, was er hier performt, ist das andere.
Cam Cole spielte längere Zeit in Metal-Bands, ehe er seine Sachen packte, um als Solo-Künstler auf der Straße, bei Hippie-Jams und illegalen House-Partys zu aufzutreten. Oder kurzum: Überall dort, wo ihm irgendjemand zuhören wollte. In London ist Cam Cole mittlerweile eine recht bekannte Nummer. Sein Sound, der sich irgendwo im weiten Feld zwischen Stoner, Sabbath-Anleihen und Grunge-Brachialität bewegt, zieht immer mehr Menschen an. Hört man sich "Crooked Hill" an, weiß man, warum dem so ist. Dieser Typ beherrscht von dreckigem Delta-Blues, Monster-Riffing über gefühlvolle und akustische Melodie-Einlagen alles. Das packt er hier in zwölf Songs, die durch die Bank begeistern.
Um eine Hausnummer zu nennen, in welcher Liga dieser Herr spielt: Wer die beiden EPs "Jar Of Flies" und "SAP" von Alice In Chains sein Eigen nennt, hat ungefähr eine Ahnung, mit welcher Intensität Cole in den ruhigen Momenten zu Werke geht. Gitarre, eine Bass-Drum und ein Schellenkranz. Mehr benötigt es nicht, um in "High" psychedelisch einzutauchen. Welche Drogen Cam da auch immer besingt, man möchte unbedingt auch etwas von diesem Zeug. Wenn nach 2:52 die ersten Snare-Schläge dem Track noch einmal eine emotionale Steigerung verpassen, schwingt sich das Ganze in Höhen, die Gänsehaut verursachen und einem fast den Atem nehmen. Wahnsinn.
"Now That We're Here" schlägt in die gleiche emotionale Kerbe. Die Lyrics kommen beim ersten Hören wie ein naiver Weltverbesser-Sermon daher. Beschäftigt man sich aber mit Coles Background, erkennt man schnell, dass dieser Mann das, was er hier zum Besten gibt zu hundert Prozent auch so meint. Was auf der lyrischen Ebene gilt, zählt auch auf der musikalischen. Cole hört man in jeder Sekunde an, dass er das, was er hier tut, mit jeder Faser seines Herzens liebt. An dieser Liebe soll der Hörer teilhaben. Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht sehr bald sehr viele Menschen mitbekommen. Am Ende des Songs hört man noch ein "That's the one". Das dürfte wohl der Kommentar Coles gewesen sein, dass dieser Take der perfekte war. Dem kann man nur unumwunden zustimmen. Keine Ahnung, wo man hier noch etwas verbessern sollte.
In "Fear N'Wrath" feiert Cole einen Deltablues-Abriss, den man dreckiger in keinem Mississippi-Swamp zu hören bekommen würde. Das Weißbrot aus dem Vereinigten Königreich groovt sich durch diesen Stampfer mit verzerrtem Mic-Einsatz und zieht eine Wall Of Sound hoch, dass es nur so im Karton rumpelt. Was den krachigen Anteil anbelangt, toppt er diese Macht sogar noch einmal mit dem straight nach vorne kloppenden "I Don't Need To Live Your Way". Das klingt so herrlich nach den besten Momenten von Kyuss oder den Queens Of The Stone Age, als Josh Homme noch wusste, auf welchem Joshua Tree die Monster-Riffs wachsen.
Ebenfalls lobenswert: die Produktion des Albums. Hier ist tatsächlich einzig und alleine Cam Cole mit seinem Straßen-Setup zu hören. Gitarre, Foot-Drums, fertig. Mehr braucht es auch nicht, um Cam Cole richtig in Szene zu setzen. Auf allzu viel technischen Firlefanz wurde bewusst verzichtet, was den Charakter der Songs ungemein entgegenkommt. Das rundet das nahezu perfekte Album ab. Einzig der etwas plakative Text von "F### You Motherf#####" stört etwas. Aber wenn das das einzige ist, das negativ ins Gewicht fällt, hat Cam Cole im Gegenzug sehr viel richtig gemacht. Möge er bald mehr Gehör finden. Verdient hat er es allemal.
3 Kommentare mit 5 Antworten
Klingt schon nice und endlich mal wieder nach schmutzigem Schweinerock
Wirklich nicht übel!
Musste bei dem reduzierten Sound ein bisschen an die Jungs von Picturebooks denken... macht Spaß!
Die von Grabkes Sohn? Die fand ich recht grauenhaft, aber wahrscheinlich nur, weil ich den Kurzen als Papafan und Stepke vom Gymnasium kannte und so als späteren Zausel irgendwie nicht vollends ernstnehmen konnte und der minimalistische Sound halt Zeitgeist war.
Aber das hat vorrangig mit persönlichen Assoziationen zu tun, of course.
Erste andrehen der Scheibe und was soll ich sagen, Brett der Woche erstmal.
so ein Album habe ich gebraucht ♥
Schönes Ding!