laut.de-Kritik
Schrammeln wie John Lee Hooker.
Review von Philipp KauseCedric Burnsides "Hill Country Love" beruht auf einfachen Zutaten und lebt einige Spielarten des guten alten Dampfers Sumpf-Blues aus, ohne es wie Clapton als "Sessions" zu bezeichnen. Gleichwohl flutschten die Aufnahmen in zwei Tagen durch, unter provisorischen Bedingungen. Natürlicher als auf "Juke Joint" geht es wohl kaum: Burnside zupft Gitarre und klopft Schuh-Schlagzeug, nach dem Motto "let the music stomp your feet". In "Coming Real To Ya" hört sich das Drumset derweil an, wie wenn Paletten im Großmarkt aufeinander krachen.
Trotz strammer Dehnübung für die Nylon-Saiten und 'Mann mit Gitarre auf dem Cover' überwiegt oft der Eindruck einer ausgesprochen perkussiven Platte: Wenn etwa im Titelstück ordentlich Wirbel im Becken-Kessel herrscht, oder wenn Cedric seinen "Funky Raw" jammenden Schlagzeuger - zu Recht - ausdrücklich vorstellt. Und wenn der sich - Artemas Lesueur heißt er - so gelenkig wie ein Gibbon zwischen Baumkronen über die Felle hangelt (Smile"). Der perkussive Charakter passt zu CD-Titel und -Slogan. Denn 'Hill Country' Blues ist ein Subgenre mit stark rhythmischer Prägung und geringer Melodie-Varianz. Dafür mit mehr Groove, wie man das etwa von Bobby Rush kennt, mit dem Cedric früher schon aufnahm.
"Alles, was ich gemacht habe, war zu lächeln", singt Cedric in "Smile". Um schlichte Dinge dreht es sich hier oft. Denn: "Ich finde, wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, stößt man jeden Tag auf etwas, über das man schreiben oder reden kann", so der Bariton-Gitarrist. Auch das tägliche Beten ist ihm ein Lied wert. "Please forgive me, Lord / everyday I pray (...) I thank the Lord for every single day", heißt es in "Closer", fast schon ein Spiritual. Den nächsten Trend des Entertainment braucht man bei dem tiefgläubigen Singer/Songwriter definitiv nicht zu suchn: "Hill Country Love" wirkt anachronistisch, wie ein bewundernswert maßstabsgetreuer Nachbau staubig schrammeliger John Lee Hooker-Platten. Nichts Neues, dafür aber eine ehrliche Mississippi-Reise.
Sie stellt auch wieder mal die Verbindung zwischen dem US-Fluss und dem westafrikanischen Wüstenstaat Mali her. Für uns in Europa ein alter Hut, seit die Pariser Plattenindustrie Griots wie Habib Koité, Rokia Traoré oder Bassekou Kouyaté hypte. Jedoch lernte Cedric erst vor ein paar Jahren durch die Plattensammlung eines Musikerkollegen die Magie Malis und den als Urvater des Desert-Blues geltenden Ali Farka Touré kennen. "Love You Music" und "Thank You" schöpfen im Herzen des Albums fleißig aus Malis Polyrhythmik.
Während malische Platten oft in modernen französischen Tonstudios entstehen, hält Burnside seine Session rotzig spontan und nutzte eine leer stehende Anwaltskanzlei in der Kleinstadt Ripley. Eigentlich sollten die Räume zu einer Kneipe umgewandelt und neu her gerichtet werden. "In dem Gebäude war alles aus Holz, was den Sound so widerhallen lässt wie in einer großen Holzkiste. Wir nahmen inmitten einer Menge Müll auf - Holz überall und Mülltonnen."
Außerdem verzichtete der Blueser auf einen Producer oder Label-Leute, die dazwischen hätten reden können. Anders als bei der Platte vor drei Jahren, die ihm einen Grammy in der Kategorie 'Best Traditional Blues Album' bescherte, und die er jetzt eher ambivalent sieht. "In der Vergangenheit ging ich auf meinen Alben durchaus ein bisschen Kompromisse ein. Und dieses Neue wollte ich jetzt wirklich nicht verwässern. Ich bezahlte einen Tontechniker und die Musiker und kümmerte mich um alles andere selbst, ohne US-Plattenfirma vor Ort. Wir machten uns einfach daran, Musik zu spielen, und so wie sie raus kam, kam sie raus - und so war es großartig."
Neben seinen alltagsnahen Eigenkompositionen weist der Glatzkopf noch auf einen Klassiker hin, "Sticky Fingers" von den Rolling Stones. Auf ihrem '71er-Meilenstein befindet sich das Cover "You Got To Move", wobei Cedric dem Song nichts Besonderes abgewinnt.
Viel besser und interessanter geraten andere, oft die eigenen Nummern: Insbesondere das karge akustische "Shake Em On Down", ein Dusty Diamond, das hypnotische "Juke Joint", das funky-psychedelische "Toll On They Life", das mitreißend vibende, wilde "Funky Raw" (je nach Streaming-Service "(Get) Funky") oder der Titelsong "Hill Country Love", der dem Blues-Verständnis der Doors nahe steht.
"Meine Art, mit Dingen umzugehen, die das Leben dir gibt, guten und schlechten, geschieht mit Musik. Deswegen danke ich dem Herrn für Musik", sagt der 45-jährige Künstler. Seine Strom-sparend hergestellte Platte hilft in Zeiten überproduzierter und mit Plug-Ins vollgestopfter Aufnahmen, die Ohren für das Wesentliche von Songs zu schärfen.
Noch keine Kommentare