laut.de-Kritik
Tanzbares Solo-Debüt des Lord Of The Lost-Sängers.
Review von Toni HennigChris Harms blickt mit Lord Of The Lost auf die vier erfolgreichsten Bandjahre zurück, inklusive der Teilnahme am Eurovision Song Contest, Gigs als Support von Iron Maiden und einem Nummer Eins-Album. An eine Pause denkt der Sänger aber nicht. Nun veröffentlicht der Hamburger mit "1980" sein erstes Soloalbum.
Schon im Opener "I Love You" bleiben vom Bandsound nur noch Steeldrum- und helle Keyboardtöne übrig. Ansonsten regieren hymnische Synthpop-Klänge. Das pumpende "She Called Me Diaval" erinnert danach durch den warmen Gesang und die euphorisierenden Synthie-Melodien an den Mitt- bis Endachtziger-Diskotheken-Sound von Fancy. In die selbe Kerbe schlägt das von einem statischen 4/4-Beat durchzogene "Somewhere Between Heaven And Armageddon". Dabei klingen die Songs so souverän, dass das Gefühl von Fremdscham gar nicht erst aufkommt. Eher kann man froh sein, dass sich endlich mal wieder jemand an den Euro-Disco-Sound heranwagt.
In "Missed Call" weht dann gesanglich durch die Strophen ein Hauch Billy Idol. Etwas muskulöser gestaltet sich die Musik in "Madonna Of The Night", einem dunkelromantischen Duett, das Harms zusammen mit Sven Friedrich von Solar Fake singt. Auch das recht ruhig gehaltene "Lunamor" folgt weiter dem dunkelromantischen Pfad. Von seiner verspielten Seite zeigt sich der Sänger dagegen in "Parallax", das neben einer energiegeladenen Hook auch robuste analoge Klänge besitzt, die an Depeche Mode zu "Construction Time Again"-Zeiten denken lassen. "Past Pain" plätschert als getragene Nummer, die vom dramatischen Gesang des Hanseaten lebt, etwas zu sehr vor sich hin.
Überzeugender fällt dagegen "The Grey Machines" mit Ronan Harris von VNV Nation aus, das die Soundpalette des Albums um einen Schuss Future Pop bereichert. Ganz auf seine hymnischen Qualitäten verlässt sich der 45-Jährige wieder in "Vagueness Of Faith", das von nostalgischen Synthwave-Klängen lebt. Trotz der vielfältigen Einflüsse, hat man alles bekommen, was von einem elektronischen Album von Chris Harms zu erwarten gewesen war.
Schön, dass der Hanseate zum Schluss mit "May This Be Your Last Battlefield", das aus deepen, ätherischen Ambient-Tönen und verletzlichen Vocals besteht, doch noch kurz mit den Erwartungshaltungen bricht. So eine Nummer abseits poppiger Soundpfade hätte man dem Sänger dann doch nicht zugetraut.
Jedenfalls dürften sich an Chris Harms wieder einmal die Geister scheiden. Wer seine Stimme und die künstlerische Ausrichtung, die er zuletzt mit Lord Of The Lost eingeschlagen hat, nicht mag, dürfte auch mit der Platte keine Freude haben. Fans, die auch mal auf Gitarrentöne verzichten können, kommen dafür um so mehr auf ihre Kosten.
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