laut.de-Kritik

Ausgetüfteltes Hinhör-Kopfkino.

Review von

Ob es sich bei den beiden Frauen, die hinter Héloïse a.k.a. Christine And The Queens auf dem unbeschrifteten Cover-Artwork zu sehen sind, um jene ominösen 'Queens' handelt, klärt das Album nicht auf. "Redcar Les Adorables Étoiles. Prologue" legt mit seinem Untertitel "Prologue" und seiner mystischen Musik aber nahe, dass der Release irgendwann ein Sequel erhält und das Rätsel gelöst wird.

Am dritten Longplayer des französischen Artists wirken neben Chris(tine) nur Männer mit. Überraschend für eine Vorkämpferin feministischer queerer Autonomie, allerdings ist sie Stand jetzt non-binär mit Anrede als 'er', und die Frontperson verkörpert auch den oder die Chris/tine und die Königinnen, im Pluralis majestatis.

Der gesamte filigrane und warme Sound der Analog-Synths klingt sehr voll und ist selbstbewusst auf die Hauptfigur zugeschnitten. Manchmal ergibt sich der Eindruck, dass mehrere Stimmen gegeneinander laufen, so in "Tu Sais Ce Qu'il Me Faut". Dabei überlagern sich aber einfach sehr geschmackvoll und geschickt Héloïses Gesangsspuren in verschiedenen Höhenlagen. Eine perfekte Collage.

"Redcar Les Adorables Étoiles. Prologue" ist ein winterliches und bisweilen düsteres Album, dessen Betriebstemperatur sich nur schwer messen lässt. Heiße Passion für Kunst, die nicht abgegriffen wirkt und doch auf vergangene Strömungen referiert, trifft auf kühle, knack-harte Beats in zerbrochenen und oft polyrhythmischen Strukturen. Four to the Floor, Advanced Electrofunk, synkopierte Beats oder Tribal Dance - da legen sich weder die Platte noch irgendein einzelner Song fest.

Es überwiegt ein stolperndes Erscheinungsbild voller Synkopen und Arrhythmie, das erfrischend wirkt. Warm fühlen sich die Schwüre auf die Liebe ("Les Âmes Amantes") und den Schutz der Natur ("Angelus") an. Andererseits hält die Bebilderung, etwa im Video-Clip zu "La Chanson Du Chevalier", auf Abstand und wahrt kalte Distanz zum Publikum.

Die meisten Lyrics sind auf Französisch und nutzen trotz der einfachen und anschaulichen Wortwahl eine verschachtelte Symbolik. Auch an der Meisterdisziplin des Chansons bedient sich Christine And The Queens am Rande, und ähnlich wie Soko oder Benjamin Biolay verlötet sie diese Tradition mit New Wave-Synths, Back-Beat-Taktung, R'n'B-Falsett und schlummriger Stimmung im verklausulierten "Mémoire Des Ailes".

Die einzelnen Songtitel scheinen alle auf Wachtraum-Vorstellungen und Allegorien zu rekurrieren. So soll in "My Birdman" ein 'Vogelmensch' für den Protagonisten kochen, wofür Vögel, die alles roh und instant verzehren, nun nicht gerade bekannt sind. Hëloise selbst schlüpft hier einmal explizit in die Selbstbezeichnung als männliches Wesen, "Tender boy I am".

Fantasie, Wirklichkeit und Identitätssuche zerfließen in Sounds, die das Heute und Gestern kreuzen. Ein konzeptartiger, starker roter Faden hält alle Tracks zusammen. Dieser einende Strang leitet alles von einer übereinstimmenden, sphärischen Klangfarbe ab und verweist trotz zeitgemäßen Sounds eindeutig auf früher - als Pop-Longplayer noch in voller Länge gehört und wertgeschätzt wurden. Das Hören am Stück lohnt sich hier, allerdings wiederholen sich die Ideen und Stimmungen öfters, sodass manche Songs wie die Fortsetzung voriger Stücke klingen. Heraussticht zum Beispiel "Combien De Temps" mit seiner Dramatik. In mehr als acht Minuten Spielzeit entfaltet sich manche Parallele zu Kate Bush, Annie Lennox und zu repetitivem Endlos-Krautrock.

Weitere Anspieltipps: "Tu Sais Ce Qu'il Me Faut" schöpft aus New Wave und erinnert trommeltechnisch etwas an Afro-Voodoo. "La Clairefontaine" ("Die klare Quelle") rekurriert auf souligen Motown-Chorgesang. Der Rhythmus gibt hingegen hammerharten Drum'n'Bass vor. Sympathisch lebhaft und polyrhythmisch bounzt "Les Étoiles". Der Gesang transformiert sich teils in sanftes Säuseln und verfugt sich nahtlos mit den Synth-Schleifen zu einem quirlig blubbernden Strom.

Das Abschiedslied "Ma Bien Aimée Bye Bye" transportiert in den Sequencern sakrale Atmosphäre und eine vorsichtig zarte Grund-Textur. Der Song erinnert an eine weihnachtliche Schneekugel zum Schütteln, bevor ihn ein massives Basssolo durchquert. Zartheit und verhaltene Unaufdringlichkeit kennzeichnen besonders den Anfang der Platte, zum Beispiel beim zaghaft pulsierenden "Rien Dire".

Versunken in eine eigene, kleine hermetisch abgeriegelte Welt, die so gemütlich wie auch eisig kalt ist, so könnte das Leitmotiv der Platte lauten. In Midge Ure-mäßiger Nebelatmosphäre wird in "La Chanson Du Chevalier" ein Tanz mit kaputtem Knie aufgeführt. Der Clip zeigt Christine derweil im Matrosen- oder Küchenhilfen-Outfit und in einer ungewöhnlich unflüssigen Choreographie, die sich der zerhackstückten Rhythmik anpasst. Schizophrene Züge, befremdliche Kamerawinkel- und wechsel und spärliche Belichtung stützen die Gänsehaut-Stimmung des Tunes.

"Redcar Les Adorables Étoiles. Prologue" fehlt zwar noch der ein oder andere Einfall, ist aber trotz vereinzelter Längen ein gut ausgetüfteltes Hinhör-Kopfkino und hochwertig produziert. Wie viel von der LP sich aus Träumen, wie viel aus dem Privatleben, aus gutem Kunsthandwerk und Erfindergeist und wie viel sich aus inspirierenden Substanzen entwickelt hat, bleibt ein süßes Geheimnis.

Trackliste

  1. 1. Ma Bien Aimée Bye Bye
  2. 2. Tu Sais Ce Qu'il Me Faut
  3. 3. La Chanson Du Chevalier
  4. 4. Rien Dire
  5. 5. La Clairefontaine
  6. 6. Les Étoiles
  7. 7. Mémoire Des Ailes
  8. 8. Looking For Love
  9. 9. My Birdman
  10. 10. Combien De Temps
  11. 11. Je Te Vois Enfin
  12. 12. Angelus
  13. 13. Les Âmes Amantes

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2 Kommentare mit 30 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Baaaaaah... Französisch... Noch vor Deutsch die am häßlichsten klingende Sprache der Welt... Musik ist ganz okay, taugt aber nicht dazu, auf die sicherlich ganz ergiebige französische Musiklandschaft aufmerksam zu machen.

    • Vor 2 Jahren

      Bevor hier jetzt irgendwer auf eine fixe Idee kommt. Natürlich hat sich Ragi alle 7000+ Sprachen dieser Welt ausgiebig angehört, bevor er zu diesem Urteil gekommen ist.

    • Vor 2 Jahren

      Ist halt elitäres Gewichse von Leuten, die sich einen hobeln, wenn sie Filme im Originalton schauen.

    • Vor 2 Jahren

      "Baaaaaah... Französisch..."
      Was für ein Schwachsinn. Willst du immer weiter so einen Mist schreiben? Nicht dass ich die Musik gehört hätte aber nur weil du mit dieser schönen Sprache nichts anfangen kannst und nichts verstehst, ist dein Kommentar natrülich trotzdem überflüssig und voll daneben. Scheint bei dir aber System zu haben. Aber geh mal in dich und frag dich, ob du wirklich ständig kommentieren musst oder ob du es besser lässt oder wenigstens reduzierst.

    • Vor 2 Jahren

      Ja, ist einfach so. Daß mir ja niemand auf die Idee kommt, hier schreibe man subjektiv! :(

    • Vor 2 Jahren

      Das ist ein Punkt, Ragismo. Objektiv kann dagegen sagen, dass du ein unreflektierter Dummkopf bist. Denn das ist empirisch belegbar. ;)

    • Vor 2 Jahren

      Ich will zumindest mal für den Versuch danken, Middli :)

    • Vor 2 Jahren

      Ich liebe ja die französische Sprache. Davon abgesehen: Deutscher Gesang ist fast immer unerträglich! Das kann man mit einer solch musikalischen Sprache wie Französisch nicht vergleichen. Also wirklich!

    • Vor 2 Jahren

      Ich liebe ja die klingonische Sprache. Dagegen sind Erdensprache einfach nur mit dem Geschrei eines wollüstigen Banthas gleichzusetzen!

      Qapla'!

    • Vor 2 Jahren

      wo ist NiqueTaMere? NiqueTaMere wird dringend in diesen Faden gebraucht!

    • Vor 2 Jahren

      Nächstes Feature bitte auf Schwyzer-Klingonisch, Caps!

    • Vor einem Jahr

      Wer Französisch hasst, hat noch nie Italienisch gehört.

    • Vor einem Jahr

      Italienisch ist speziell für Musik sogar eine der geeignetsten Sprachen. Viele Vokale, oft viel Betonung und Singsang schon im Sprechduktus. Grundsätzlich sehr verschiedenen vom eher vernuschelten, Vokale verschluckenden, besoffen klingenden und von allerlei Würgelauten begleiteten Französisch.

    • Vor einem Jahr

      Du bist doch deppert.

    • Vor einem Jahr

      Hand aufs Herz: Französisch klingt wie Deutsch, gesprochen von jemandem kurz vor einer akuten Alkoholvergiftung. Ganz viele ʐ- und andere stimmhafte Nuschellaute, und viele geschlossene ä- und ö-Sounds, was gerade nach Uvularkonsonanten typisch wie Würgelaute klingt. Zum Singen und für Melodien geeignete offene Vokale findet man dort kaum, weswegen Französisch auch die Sprache des Chansons ist, der sich durch wenig Melodieumfang und sehr viel Sprechgesang auszeichnet.

    • Vor einem Jahr

      Es wäre ein schönes Weihnachtswunder, wenn du mal einen Tag ohne Ragismus auskommen würdest, Ragisimo. Leider wird da nichts draus werden :(

    • Vor einem Jahr

      FairMiddler, Brudi. Na, alles klar? Immer noch fett am Arsch kriechen :)?

    • Vor einem Jahr

      Jo, alles stabil. Den Arschkriech-Award bekommst leider dieses Jahr mal wieder du für deine Doc Souli-Obsession. Da kann ich mich noch so sehr anstrengen :(

    • Vor einem Jahr

      Immerhin respektabel, wie konsequent Middli ignoriert, daß niemand mehr inhaltlich auf ihn eingeht :)

    • Vor einem Jahr

      Wie soll er auf dich inhaltlich eingehen, wenn du keinen Inhalt hast?

  • Vor einem Jahr

    Die zeitgeistige Gender-Verwirrung dieser Frau geht mir am Hintern vorbei, aber die Musik bzw. das Gesamtkunstwerk finde ich gut. Französisch ist auch von Natur aus eine Qualitätsstufe höher anzusiedeln als Deutsch.

    • Vor einem Jahr

      Gegen klingonisch stinkt eh alles ab. Wie ein weiser Krieger einst dichtete:
      "DacholmoHlaHchugh, vaj choHlaHbe' 'e' vIpIHchugh, vaj cholbogh cholnISchugh."

    • Vor einem Jahr

      Vorschlag für einen Neujahrsvorsatz für skeptisch: die eigenen transphoben alt-right Meinungsverirrungen hinterfragen.

    • Vor einem Jahr

      bruder alle musse werde tollerante so wie grune immer sage friede und hore andre meinrunge zu

    • Vor einem Jahr

      Weiter Vorschlag: Diese ragismische Schwachsinnsangewohnheit, Sprachen ästhetisch gegeinander ausspielen zu wollen, einfach mal klemmen.

    • Vor einem Jahr

      vielleich fur jede inviduum mache ein geschlecht denke compputer schaafe das

    • Vor einem Jahr

      JOe Biden "Wir werden das schon schaffen auf Bezug zu NS2, dass es aufhört!" Scholz daneben und lächelt. Sie versuchen agr nicht mehr zu verbergen, dass sie uns verarschen.

    • Vor einem Jahr

      Lösch Dich!

    • Vor einem Jahr

      bruder warheit man kanne ausspreche keiner glaube bester trikk

    • Vor einem Jahr

      Größter geopolitischer Nutzen haben die USA voin einer Sprengung uns sie erwähntenimmer wieder dass es den Import aus dem Osten zu unterbinden gilt. Wir sollen uns von ihnen abhängig machen und das Märchen vom bösen Russen glaubn.

      Der US-Kongress hat die US-Regierung mit einem Sanktionierungsgesetz dazu verpflichtet, den Bau einer zweiten deutsch-russischen Gasleitung in der Nordsee zu verhindern, um ihr eigenes Gas nach Europa exportieren zu können. Unternehmen und Banken, welche die Gasleitung Nord Stream 2 unterstützen, konnten seither mit Sanktionen belegt werden. Im Gesetz, das der US-Kongress im Jahr 2017 verabschiedete und Sanktionen gegen Investoren von Nord Stream 2 vorsieht, heisst es wörtlich: «Die US-Regierung legt grössten Wert auf den Export amerikanischer Energieträger und auf die Schaffung amerikanischer Jobs.»

    • Vor einem Jahr

      @kawischneider
      Auf keinen Fall ist da was dran. No Way!