laut.de-Kritik
Die Ninja Tunes mit Roots Manuva und Jon Spencer im Gepäck.
Review von Dani FrommWie immer veröffentlicht Ninja Tune, laut Presse-Sheet, die "vielleicht wichtigste Platte der Labelgeschichte". Dagegen wäre nichts einzuwenden. Ein neues Album der beiden Labelgründer ließ schließlich lange genug auf sich warten. Bereits die Gästeliste entschädigt für mindestens zwei der sieben Coldcut-freien, mageren Jahre: Wer Roots Manuva, Mike Ladd, Jon Spencer und Saul Williams im Gepäck hat, dem sei Gnade gewährt.
"Sound Mirrors" hat einen Pädagogik-Preis verdient. Wer nicht ohnehin mit einer guten Portion musikalischer Aufgeschlossenheit an die Sache herangeht, der tut dies vielleicht hinterher: Elemente aus unterschiedlichsten Genres werden derart geschickt ineinander verwoben, dass der Hörer kaum merkt, was er alles in die Suppe gerührt bekommt.
Gitarrenriffs und ungewöhnlich melodische Raps verbinden sich in "Everything Is Under Control" zu einem kickenden Rock/Hip Hop-Hybrid. Alles unter Kontrolle? Hervorragend. Damit sind wir gewappnet, für die Reise ins Land der musikalischen Zerrspiegel.
Dancehall-Beats treiben durch "This Island Earth", "Boogie Man" und - cooler than cool - durch "True Skool". In "Walk A Mile" überbrückt Gesang die Kluft zwischen klassischen Streichern und elektronischen Klängen und schafft dem eigentlich einigermaßen hektisch-frickeligen Beat zum Trotz eine ruhige Atmosphäre. Mike Black und Jonathan More, die sich in zwei Jahrzehnten unbestritten Veteranenstatus erworben haben, dürfen sich problemlos erlauben, altbekannte Ratschläge zu erteilen: "Before you accuse, criticize of refuse, walk a mile in my shoes."
Das machen wir mal. Der Weg auf Coldcuts Spuren führt vom Hip Hop über die Dancehall zum vielschichtigen Instrumental-Konstrukt des Titeltracks. Wie in einem Kaleidoskop stoßen schräge Töne auf traditionelle Harmonien, brechen sich aneinander und bilden ein den gesamten Verlauf hindurch an Komplexität zunehmendes, schillerndes Gesamtbild: "Sound Mirrors" liefert ein Paradebeispiel für clever durchdachte Produktionen.
Zu meckern gibt es wenig. Für meinen Geschmack gerät "Colours The Soul" eine Spur zu konturlos. Fahrstuhlmusik der angenehmeren Art: hübsch, aber nichtssagend. Dafür, dass die gepfiffene Melodie in "Whistle And A Prayer" Übelkeit erregende Erinnerungen an "Wind Of Change" weckt, möchte ich Coldcut nicht verantwortlich machen. Dafür hasse ich lieber die Scorpions noch ein wenig mehr. Verderben sie mir doch das Vergnügen an wunderbar schiefem Gesang, ruhigen Streichern und erbärmlich wimmernden Geräuschen, die sich anhören, als jaule eine singende Säge quer durchs akustische Bild.
Die Dramaturgie des Albums führt von organischen hin zu eher technischen, durchaus dancefloortauglichen Tönen, zwischen denen aber immer wieder Elemente aus anderen Genres aufblitzen. In diesem Sinne durchbrechen und bereichern jazzige Einsprengsel die flächige, dennoch zurückgenommene Kulisse von "Aid Dealer". "Sound Mirrors" soll also "die vielleicht wichtigste Platte der Labelgeschichte" von Ninja Tune? sein Ich bin geneigt, es diesmal zu glauben.
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