laut.de-Kritik
"Ruminations" mit Jim Keltner und den Felice Brothers.
Review von Giuliano Benassi"Mir war zu Ohren gekommen, dass er mit meinen Brüdern und dem unsterblichen Schlagzeug-Guru Jim Keltner in Los Angeles an einem neuen Album arbeitete", schrieb Simone Felice im Oktober 2016 im Booklet zu Conor Obersts Album "Ruminations". Was er wohl damit meinte? Nicht die Aufnahmen, die seine Worte begleiteten, denn die hatte Oberst alleine in seiner Heimatstadt Omaha, Nebraska auf Band gebracht.
Die Antwort liefern das vorliegende Werk, das nur fünf Monate später erscheint. Im Prinzip handelt es sich um "Ruminations" in einen anderen Gewand, da die zehn Stücke alle vertreten sind. Plus sieben weitere.
Kann das funktionieren? Einerseits ja, weil es ein Genuss ist, Keltner zu lauschen, der sein Schlagzeug wie gewohnt cool bedient, und den Felice Brothers, die wie immer ein bisschen neben dem Rhythmus liegen und leicht schepp singen. Andererseits nein, schließlich lebten die eher deprimierenden Stücke in ihrer ersten Version von der Einsamkeit, die Oberst auch klanglich vermittelte.
Am besten vergleicht man die beiden Alben nicht und vergisst, dass die Stücke schon einmal veröffentlicht wurden. Dann fällt auf, dass die Beteiligten im Studio offenbar Spaß hatten und dass es zu einer Reunion von Monsters of Folk kam, da Matt Ward und Jim James (My Morning Jacket) vorbei schauten. Weitere Einlagen bieten die Alt-Country-Queen Gillian Welch, Bright Eyes-Stammgast Maria Taylor und die junge Singer/Songwriterin Pearl Charles.
Stellenweise erinnert das Ergebnis an die Pogues, vor allem, wenn James Felice zum Akkordeon greift. Gemeinsam haben sie auch den melancholischen Grundton, der bei Oberst, anders als bei den Iren, aber rein persönlicher Natur ist. "Get a fucking life!" möchte man ihm auch diesmal zuschreien, wenn er mal wieder weinerlich über das Leben sinniert, doch muss man ihm zugute halten, dass er es diesmal launiger macht als sonst.
"Get too drunk and you can't perform / Something dies when a star is born / I spread my anger like Agent Orange / I was indiscriminate / I met Lou Reed and Patti Smith / It didn't make me feel different / I guess I lost all my innocence / Way too long ago" beschreibt er seinen Werdegang in "Next Of Kin".
In einem der neuen Stücke stellt Oberst einen abenteuerlichen Vergleich auf. "Old Heinrich Himmler never broke the law / Well, technically speaking, ask Sam Peckinpah / Sometimes you need a vigilante if you want to get a just thing done / And I don't want to kill nobody / Whose only crime is worshipping the sun", sinniert er in "Napalm". SS-Reichsführer und Massenmörder Himmler, Western-Regisseur Peckinpah und sich selbst in eine Strophe zu packen könnte in Deutschland schon fast als Verharmlosung, gar als Straftat, durchgehen.
Doch geht es Oberst nicht um Pegida und Co., der Fokus richtet er einzig und allein auf sich selbst. Zumindest finanziell scheint es ihm nicht allzu schlecht zu gehen. "I don't sleep in the park / With all my earthly possessions / In one old shopping cart / No, I'm up in the penthouse / On a big feather bed", stellt er in "Too Late To Fixate" fest.
Ein bisschen Sinn für Humor ist ihm auch geblieben. Wie er mit der Covergestaltung beweist, die sich auf den Titeltrack bezieht. Vorne schwebt Oberst scheinbar entspannt in einem Schwimmbad, doch der Schein trügt, denn auf der Rückseite wird er von einer Frau (Pearl Charles?) Mund-zu-Mund beatmet, während Keltner am Handy den Notarzt anfordert. Ein Motiv mit potentiellem Kult-Charakter.
Auf "Salutations" liefert Oberst eine neue Sammlung an Sitzungen beim Psychologen, verpackt sie klanglich und gestalterisch aber wie so oft ansprechend. Demnach: Geschichtsunterricht nachholen und sonst weiter so!
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