laut.de-Kritik
Neueinspielungen postrockiger Frühtracks und ein neuer Song.
Review von Toni HennigCrippled Black Phoenix haben eine turbulente 20-jährige Karriere mit unzähligen Sänger- und Besetzungswechseln hinter sich. Die einzige Konstante blieb Multiinstrumentalist und Songwriter Justin Greaves. Sängerin Belinda Kordic hat sich jedoch über die Jahre als festes Mitglied erwiesen.
Nun legt die schwedisch-britische Formation anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums mit "The Wolf Changes Its Fur But Not Its Nature" ein Album vor, das mit Neueinspielungen ihrer atmosphärisch postrockig geprägten Frühtracks sowie einem völlig neuen Song aufwartet und mit Erfüllungsgehilfen wie Sänger Justin Storms oder Keyboarder Kostas Panagiotou entstand. Mit "Horrific Honorifics Number Two(2)" erscheint gleichzeitig auch eine Coverplatte, auf dem die Band selbst vor einem Italo-Klassiker wie Rafs "Self Control" keinen Halt macht.
"The Wolf Changes Its Fur But Not Its Nature" beginnt dagegen mit der Neueinspielung von "We Forgotten Who We Are", im Original auf dem 2010er-Album "I, Vigilante" vertreten, recht vertraut. Ein Sample baut zu Beginn spukige Zirkuszeltatmosphäre auf. Nach einer langen Piano- und Gitarreneinleitung entfaltet der Track ab der dritten Minute mit krachigen Drum- und Saitentönen sowie den Vocals von Kordic und Storms wuchtige Qualitäten. Ab der siebten Minute sorgt die Nummer mit furiosen Crescendi für eine Gänsehaut nach der anderen. Nach einer kurzen Verschnaufpause endet der Song schließlich mit einem gefühlvollen Solo an den Saiten abrupt.
Auch das anschließende, von Belinda gesungene und mit reichlich Orgeltönen gespickte "You Put The Devil In Me", bei dem es sich um eine Neuinterpretation des Tracks "You Take The Devil Out Of Me" vom 2007er-Debüt "A Love Of Shared Disasters" handelt, knüpft nahtlos an die Wucht dieser Nummer an und dringt gegen Ende in fast schon hardrockige Gefilde vor.
Vom nachfolgenden 2009er-Doppelalbum "The Resurrectionists & Night Raider: 2007-2009 A.D.", dem bis heute besten der Band, stammt "444". Es gibt sicherlich großartigere Songs auf der Doppelscheibe wie "Burnt Reynolds" oder der an Pink Floyds "Echoes" angelehnte Longtrack "Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire", aber atmosphärisch fügt sich die Neuversion gut in den Fluss des Albums ein. Zudem fungieren die Vocals eher als zusätzliches Instrument, so dass die orientalischen Elemente des Tracks noch mehr in den Vordergrund treten als im Original.
"Goodnight, Europe (Pt2)" lehnt sich an "Goodnight, Europe" vom Debüt an, erweist sich aber als völlig neue Nummer, und was für eine. Mit seiner doomigen Atmosphäre, seinem dramatischen Spannungsaufbau, den intensiven Gesangsausbrüchen Kordics sowie den apokalyptischen Zeilen verbreitet der Song pure Endzeitstimmung und zählt mit zum Besten, das Crippled Black Phoenix jemals auf Tonträger gebannt haben. Nach dem Genuss dieses Tracks muss man erst einmal tief Luft holen. Genug Zeit dazu gibt die erweiterte, recht spacige Version des 2020er-"Ellengaest"-Interludes "(-)".
Mit "Song For The Unloved", das im Original "Song For The Loved" heißt, und "Whissendine" folgen weitere Neueinspielungen vom "The Resurrectionists & Night Raider: 2007-2009 A.D."-Doppelalbum. "Song For The Unloved" fällt dabei recht Pink Floyd-artig aus und fängt mit akustischen "Wish You Were Here"-Gedächtnismomenten und den warmen Gesängen Kordics und Storms recht gemächlich an. Nach einer langen, psychedelischen Passage macht sich jedoch in der zweiten Hälfte mit dynamischen Sounds beste "The Dark Side Of The Moon"-Stimmung breit. Dabei wird es mit einem Saxofonsolo sogar richtig jazzig. Insgesamt gestaltet sich diese Version instrumental zwar mehr als interessant. Die melancholische und intensive Klasse des Originals erreicht sie aber nicht.
Das lässt sich von der hymnisch getragenen Neueinspielung von "Whissendine" glücklicherweise nicht behaupten, die ebenso wie "Goodnight, Europe (Pt2)" von der intensiven Stimme Belindas lebt. "Blizzard Of Horned Cats" orientiert sich am letzten Teil des "A Love Of Shared Disasters"-Abschlusssongs "Sharks & Storms / Blizzard Of Horned Cats" und lässt nach einem atmosphärischen Piano- und Keyboardbeginn die Scheibe krachig ausklingen.
Letzten Endes war es eine Freude, die alten Tracks mal wieder zu hören. Einerseits aus Nostalgie, andererseits, weil die schwedisch-britische Formation die Nummern mühelos ins moderne, fast schon metallisch anmutende Crippled Black Phoenix-Gewand überführt. Zudem baut die Platte auch noch eine besondere Eigendramaturgie auf, so dass sie auch als eigenständiges Studioalbum durchgehen könnte.
Wer auch nur ansatzweise Interesse an den postrockigen Sachen der Band besitzt, sollte sich die Scheibe nicht entgehen lassen, schon alleine wegen "Goodnight, Europe (Pt2)". Außerdem bekommt man, im Gegensatz zur digitalen Variante, mit dem Kauf der CD- und Vinylausgabe das Coveralbum zusätzlich dazu.
2 Kommentare
Hammer Album, auch das angehängte Coveralbum ist top. Goodnight Europe ist wirklich ein Brecher.
Dieser Kommentar wurde gerade eben durch den Autor entfernt.