laut.de-Kritik

Monumentale Träume mit Kanye-Moment.

Review von

Danny Seths Geschichte hat wahrlich Merkwürdiges an sich. Als spindeldürrer jüdischer Londoner zog er vor wenigen Jahren nach Los Angeles, um ohne Wissen seiner Freunde eine Karriere als Rapper zu fokussieren. Nach einer gefeierten Mixtapereihe und dreijähriger Entstehungszeit soll "Perception" nun den Grundstein für eine große Karriere legen.

Damit dieses Unterfangen nicht nur reine Illusion bleibt, hat sich der Brite ein spannendes Konzept für seine Platte überlegt. Allein die Tracklist ergibt zusammengefügt schon einen übergeordneten Sinn:

"Monumental, how I dream. I arise because time is of the essence. Never forget our city || Stay with me on this trip past forever > Danny darling be safe, remember yourself/homecoming."

Im Endeffekt jedoch liegt alles beim Betrachter. Nicht erst seit Ab-Soul wissen wir: "Perception is everything".

Bereits der Opener hält sein Versprechen: "Monumental" wirft einen nur mit epischen Chören unterlegten Blick in die Vergangenheit. Danny rappt mit unversöhnlicher Härte über seine Anfangszeit in Amerika und die fehlende Unterstützung aus der Heimat:

"Started about three years ago, hopped up on a jet / Had an internship that's filled with dreams left home with no regrets / Landed in America, the land of hope and dreams / Then I realized reality don't match the TV screens", heißt es, bevor ein rohes, maschinelles Beat-Ungetüm einsetzt.

Sowieso birgt das erste Drittel der Platte eine mit Hass durchsetzte Abrechnung mit der zurückliegenden Zeit. "How I Dream" fährt nach etwa einer Minute psychedelischem Vorgeplänkel den maximal wuchtigsten Bass auf, der einen unweigerlich in Fiebertraum-ähnliche Zustände versetzt. Seth knickt angesichts der gefahrvollen Produktionen aber nicht ein, sondern schlägt mit seinen energischen Raps in dieselbe Kerbe.

Ohnehin bewegt sich Zach Nahome, Hauptproduzent und jahrelanger Weggefährte Dannys, mit seinen Instrumentalen stets am Nabel der Zeit, ohne dabei Abstriche zugunsten der Hörerfreundlichkeit zu machen. Stattdessen dominiert britische Roughness inmitten ungezügelt wabernder Basslines und krachender 808-Drums.

Verbunden mit düsterer Bedrohlichkeit entfaltet sich so eine gänzlich neue Facette im Beat-Game, die sich allein schon deswegen ihre Daseinsberechtigung verdient. Zu Hause in London sah man das wohl noch etwas anders: "I grew up in a city / Where they never gave a pity or a fuck / Unless you're doing grime or UK hip hop."

Beflügelt von der neu gewonnen Selbstsicherheit fällt der Mittelteil der Platte etwas leichtfüßiger aus. So finden sich Tracks wie "On This Trip", die Seth in fast schon narkotischer Trance vorträgt. Fantastisch detailverliebte Übergänge halten die Songs, bei denen Beat- und Tempowechsel eher Regel als Ausnahme darstellen, zusammen.

Die kurze Gelassenheit hält allerdings nur bis zum Brief seiner Stiefmutter an, den Seth in "Danny Darling" unterlegt von schwerfälligen Geigen beispiellos emotional vorträgt. Nach der Trennung von Dannys Vater erinnere er sie zu stark an den Ex-Mann, um weiterhin mit ihm in Kontakt stehen zu können: "I can't live a lie, living life like this / Part me of staying well is that I got to move forward / I can't see your face no more, it's killing me slow like torture."

Statt sich vom neuerlichen Rückschlag aus der Bahn werfen zu lassen, bündelt der Brite seine Wut im direkt darauffolgenden "Be" zum ignorantesten Turnup-Brett auf "Perception": "When I embarrass you I'm so sorry, on these tracks I go sick like vomit / I'm in the penthouse gettin' cranium, while you man are still in the lobby."

Der Ausflug hin zum arroganten Hedonismus währt aber nur kurz. Denn im abschließenden Outro "Yourself/Homecoming" erlebt Danny seinen persönlichen Kanye-Moment und schließt inneren Seelenfrieden mit seiner Heimat London:

"Signing to myself like I tatted my arm / I'm reppin' London city till I'm gone / Feeling like I'm Kanye after Graduation / Or Late Registration or like Drizzy after Thank Me Later."

Trackliste

  1. 1. Monumental
  2. 2. How I Dream
  3. 3. I Arise Because
  4. 4. T.I.O.T.E (ft. Collard)
  5. 5. Never Forget (ft. Jimmy Johnson)
  6. 6. Our City (ft. Louis Mattrs)
  7. 7. ||
  8. 8. Stay (ft. Su Bviley & Jace of Retrosushi)
  9. 9. With Me
  10. 10. On This Trip (ft. Cassow & PJ)
  11. 11. Past Forever (ft. David Stewart)
  12. 12. >
  13. 13. Danny Darling
  14. 14. Be
  15. 15. Safe
  16. 16. Remember
  17. 17. Yourself/Homecoming

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