laut.de-Kritik
Auf spannende Weise gleichzeitig high und nüchtern im Geiste.
Review von Yannik GölzAls Dante YN vor zwei Jahren mit Produzent Maxe seine Debüt-EP "Kleinstadt Uniques" veröffentlichte, sagte ich voraus, dass aus ihm so etwas wie die deutsche Future-Metro Boomin-Kombo werden könnte. Rückblickend: Solche Vergleiche sind natürlich immer dämlich. Es gibt kein deutsches x von einem amerikanischen y und das ist auch gut so. Aber davon abgesehen: Hatte ich arg unrecht? Sein Debütalbum "Dante >" zeigt immer noch viele Qualitäten des Super Trappers in ihm. Diese finstere Kaltschnäuzigkeit, das eisern gute Ohr für Beats und ein konstant unpeinliches Gefühl für die klanglich geilen Seiten des Genres.
"Dante >" macht Eingängigkeit und Hooks, ohne in die Fallgruben des Deutschrap-Pop-Crossovers zu tappen. Dabei fängt es direkt mit einem unerwarteten Paukenschlag an: "Schon Ok" macht keine großen "ihr habt lang genug gewartet"-Ansagen, sondern diggt direkt richtig tief in den Schlamm. Der Song – so tut sich schnell auf – ist eine Abrechnung mit Dantes Vater, der in seinem Leben nie präsent und nie für seine Mutter da war. Das ist harter Tobak, vor allem, weil Dante allen Klischees zu so einem Thema ausweicht und genauso roh wie gekonnt erzählt, an welchen Details seine Gefühle sich hier materialisieren.
"Du kennst unsre ersten Worte, aber weißt nicht, wie wir reden / Du kennst meine ersten Schritte / Aber du weiß nicht mal, welche Wege ich bis jetzt gegang'n bin in mein' Leben", baut er da zusammen, aber lässt sich davon nicht herunterziehen. Seine ganze Persona ist von dieser Resilienz geprägt, die nur jemand haben kann, der schon ziemliche Scheiße gesehen hat. Dass er tatsächlich gerade Mal Anfang 20 ist, würde man da nicht heraushören.
Was danach kommt, ist weniger persönlich, aber klanglich eine absolute Bank. Dante lässt keine Zweifel offen, dass er ein Amirap-Head ist. Sehr erfrischend, mal Referenzen jenseits von Drake und Kanye zu hören: Wir bekommen Shoutouts auf Luckis "Super Urus" oder den Florida-Durchstarter Hotboii; ersterer wirkt besonders relevant, passt auch zu dem später folgenden Gunna-Namedrop, denn die untergründigeren Atlanta-Waves scheinen recht prägend für die Produktion hier zu sein.
"Youngstar" zum Beispiel könnte mit seiner verzerrten Gitarren-Line 1:1 ein Beat von F1lthy oder BNYX sein (genauer denke ich an den Art Dealer-Beat für Ken Carsons "Intro"), "Hoodfame" geht auf die selbe Art des Melodie-Layering ein, den Produzenten wie Cardo oder Taurus perfektioniert haben. Diese mattschwarzen Bass-Grooves, an die sich dann ein latent psychedelischer Konterpunkt in Form eines Samples oder einer Synth-Melodie anschmiegt, das macht oft den Sound von "Dante >" aus und klingt durch die Bank fett. "Spacecar" klingt, als hätte man es einfach auf "Freewave 3" packen können, und für den Trend kriegen wir dann auf "2020 est." noch ein bisschen Jersey Club drauf.
Dass zwischen all diesen musikalischen Ideen und Referenzen Dante nicht wie der nächste Amirap-Wannabe dasteht, der einfach nur Flows bitet und dann im Interview Rooz erzählt, dass alle anderen den Amifilm von nicht peilen würden, liegt daran, dass er als Rapper ein ziemlich entwickeltes Charisma mitbringt: Das Album klingt nicht nur total kohärent (sogar der Club-Song fügt sich dank der toll abgestimmten Synths wunderbar ein), Dante hat seinen eigenen Themenpool und seine eigene Art, seine Stimme für die Songs nutzbar zu machen, die sich eigen anfühlt.
Nirgends merkt man das deutlicher als am letzten Ende dieses Albums, wo erst ein cineastischer Maxe-Interlude mit all seinen Mike Dean-Credentials zu einem letzten Track voll mit Bars über die Welt und die Politik führt, der eine Sache klar zeigt: Dante hat nicht nur ein sehr genaues Gefühl für seine Stimme, er ist auch einfach an sich ein irre schlauer Typ. "Schlaflos" gibt vier Minuten Einblick in den Kopf eines schweigsamen Typen, den Nachts heimsucht, zu was er tagsüber die Klappe hält. Und was ihn stört, ist erfrischend wenig polemisch, sondern eher ein frustriertes Ächzen über Leute, die ihre Kompetenz überschätzen, über fehlende Nuance, über Engstirnigkeit und Schwarz-Weiß-Denken. Es ist feinsinnig und empathisch, obwohl es in dieser eiskalten Deadpan-Stimme vorgetragen wird.
Natürlich ist Dante nicht Future. Das wäre auch total absurd zu erwarten. Viel besser: Auf "Dante >" etabliert er sich als ein junger Rapper mit eigener Stimme und eigenen Gedanken, der zwar von den Amis gelernt hat, wie man Beats pickt und wie man ein Album zusammenbaut, das catchy ist, ohne Pop-Anbiederungen in Kauf zu nehmen, aber er bricht nicht unter seinen Einflüssen zusammen. Gemeinsam mit Maxes Cyberpunkiger Trap-Produktion setzt sich so der innere Monolog des deutschen Traps zusammen, grimmig, aber über den Dingen, auf eine spannende Art und Weise gleichzeitig high und nüchtern im Geiste.
2 Kommentare
Ist das so scheiße, wie es sich liest?
Textlich ist das bis auf den Opener natürlich alles nichts dolles, aber alleine für die Beats lohnt sich das Album. 2-3 Tracks weniger und das wäre für mich dieses Jahr bisher das beste Release im Deutschrap. Der Sound klingt dann doch teils etwas zu repetitiv, aber hebt sich insgesamt trotzdem unfassbar von den üblichen Deutschrap-Releases ab.