laut.de-Kritik
Regenwolken über Rap-Deutschland.
Review von Dominik LippeMancher Beobachter sieht im allgegenwärtigen Erfolg des Partyschlagers "Layla" eine trotzige Reaktion des Publikums, das nach Jahren der Entbehrungen das Ende der Corona-Pandemie einfordert. All die angestaute Lebenslust bahnt sich unaufhaltsam ihren Weg, um in einer alkoholgetränkten Fickelfantasie zu kulminieren. Ausgebuchte Hotels auf der liebsten Balearen-Insel der Deutschen scheinen die Theorie ebenso zu bestätigen wie die zahlreichen Trittbrettfahrer von den Zipfelbuben bis Julian Sommer, die verblüffende Chartplatzierungen einfahren.
Im Deutschrap ist von dieser kindlichen Freude unterdessen wenig zu spüren. Ausgerechnet das Genre, das stets einen Finger am Puls der Zeit hat, verweilt in tiefer Depression. Schon Schwartz wechselte Anfang des Jahres vom "Lockdown" in den Selbstzerstörungsmodus. Grim104 und LGoony kämpften in "Numb" gegen die Summertime Sadness an, Lance Butters nahm es auf der "Sommer EP" mit seinen Dämonen auf, und der ohnehin störanfällige Haftbefehl strich nach einem Konzert-Fiasko gleich seine komplette Tournee. In diese bekümmerte Gruppe reiht sich auch Dante YN ein.
Auf seiner zweiten EP "Paar Sommerlieder" badet der Rapper in Großstadt-Melancholie. Ein traurig verlorenes Instrumental seines Stammproduzenten Maxe umspielt den "Sonntagabend", diesen toten Moment zwischen einem vielleicht ereignisreichen Wochenende und der zum Greifen nahen neuen Arbeitswoche. Ähnlich wie auf "Das Schwarze Album" fängt Dante YN die Startschwierigkeiten ein: "Ich hol' mein Broski ab. Wir laufen durch die Straßen. Ja, wir laufen durch die Hood. Es ist Sonntagabend." Zeilen, aus denen der Wille spricht, sich aufzuraffen, die letztlich aber auf der Stellte treten.
Wenn "Warmer Regen" fällt, verfällt er in Trance, bis er beim Nichtstun einschläft. "Wir tun, was wir wollen, und du tust, was du musst. Ich werd' diese Zeit noch vermissen. Es riecht nach Regen in meiner Hood", rappt er noch immer ziellos, aber zumindest eine Spur ausgeglichener. Dante YN hat sich von äußeren Zwängen befreit. Bevor er Vorgaben erfüllt, spricht er lieber über das Wetter: "Warmer Regen fällt auf Dächer. Seit paar Tagen dieses Wetter. Zieh' die Kapuze sehr tief, tief." Auch in "Kurz Vor 4" verfolgen ihn immerfort die Regenwolken.
Der nächste Schauer droht dann gleich seine Identität fortzuspülen: "Regentropfen fallen vom Himmel auf die Prada-Cups Und schon frag' ich mich, bist du auch echt?" Dante YN besingt in "Kurz Vor 4" die langen Sommernächte, den Drogenkonsum und -verkauf, doch seine wohltönende Stimme klingt betrübt und geistesabwesend. Über allem schwebt ein Gefühl des Stillstands. Nur eine Katastrophe könnte die eingerastete Pause-Taste lösen: "Ich bin ehrlich, ich weiß nicht mehr ganz genau, wie lang' ich bleib'. Bin im Twenty-Club, ich frag' mich, wie lang' geht noch meine Zeit?"
"Double-Cup ist voll mit Lean, deshalb spür' ich nichts. Meine DMs voll mit Shawtys, doch die fühl' ich nicht", erklärt der nur schwer zu begeisternde Rapper in "Kein Wie Mich", um dann doch noch die Lähmung zu überwinden: "Ich bin viel am reisen, ich bin unterwegs von Stadt zu Stadt." Zum Schluss hellt sich die Stimmung ein wenig auf und er gönnt sich gar einen Hauch Hedonismus. Es wäre spannend, wenn sich Dante YN an ein längeres Projekt mit größerem Handlungsbogen wagen würde. Seine zweite EP bestätigt das Potenzial, das schon "Kleinstadt Uniques" erkennen ließ.
Noch keine Kommentare