laut.de-Kritik
Die Inszenierung einer Trennung.
Review von Andrea Topinka"Es ist das Zeichen für das Ende der Welt, wenn die Menschheit mit zu vielen Informationen gefüllt ist", erklärt Dean Blunt in einem Interview mit dem Guardian. Also macht er sich selbst zum Mysterium. Nichts ist über den Musiker bekannt, nicht einmal sein richtiger Name. Um so überraschender erscheint es, dass Dean Blunt für sein Solo-Debüt "The Redeemer" ausgerechnet ein doch recht privates Thema wählt – ein gebrochenes Herz.
Einfach macht der Londoner seinen Hörern den Zugang nicht. Einige Stücke erinnern an den -Neo-Soul und R'n'B, mit dem Musiker wie Rhye – ähnlich gespenstisch in ihrer Erscheinung wie Dean Blunt – in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit erhielten. In anderen Songs spielt er geradlinigen Folk. Und dann wären da noch die Tracks und Interludes, die der Platte den experimentellen Einschlag einer Soap&Skin oder Planningtorock geben.
Die Trennungsgeschichte beginnt recht harmlos mit Streichern und der Abmachung: "Call Me When Your Heart Is Empty / So Happy We Can Still Be Friends" ("The Pedigree"). Das Drama nimmt seinen Lauf, während Chorgesang an schwillt. "Demon" macht auch klar, wer der beiden Beteiligten besessen ist: Dean Blunt, rasend vor Eifersucht wird von seiner Ex-Partnerin gefragt: "What Did You Do?", woraufhin Glas splittert und das Hupen eines Autoalarms ertönt. Dumpfes Trommeln treibt voran.
Nach kurzer Entspannung und dem ersten Anrufbeantworter-Interlude ("V") trumpft der Musiker mit der nächsten komplexen Episode auf, unterstützt von "Hype Williams"-Kollegin Inga Copeland. Der Titeltrack "The Redeemer" beginnt fast unterkühlt mit dem Gesang von ihr. Blunt wiederholt die Zeile "Wake Up" und unterstreicht die Forderung mit einem völlig hysterischen Anruf-Schnipsel. Mit Einsatz von Streichern erwartet man die Explosion – stattdessen versinkt der Track in Meeresrauschen.
Der große Krach bleibt aus. Tatsächlich plätschern die nächsten Tracks friedlich dahin, verbunden durch Streicher, Bläser und die Wellenklänge. Ganz vorbei ist die Geschichte an dieser Stelle aber noch nicht.
Mit einem Beschwerde-Anruf der Ex ("Could You Stop Calling Me?") beginnt der konventionellere Teil von "The Redeemer". Nach "Papi", den man sich durchaus auch auf dem Rhye-Album vorstellen könnte mit dem sanften Pianospiel und dem entrückten Gesang, begleitet Joanne Robertson ihn bei einem ebenso schönen wie schlichten Folk-Song auf der Gitarre ("Imperial Gold"). Das Album endet mit dem Anrufbeantworter: "You Have No New Messages".
Diese Vielschichtigkeit ist das Alleinstellungsmerkmal der Platte. Das Problem von "The Redeemer" fußt leider auch genau darin: Blunt verstrickt sich manchmal in Spielereien, will unbedingt alles auf einer Platte vereinen. Um die Mitte herum entsteht so ein Durchhänger, wenn er vom experimentellen in den melodiösen Teil wechselt. Dennoch verdient er allen Respekt dafür, dass er ein so komplexes Konzeptalbum inszeniert hat, das den Hörer über weite Strecken mit der außergewöhnlich erzählten Geschichte über das Ende einer Liebe fesselt und erstaunt.
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