laut.de-Kritik
Fulminant Hommage an die Geburtsstadt des Jazz.
Review von Artur SchulzZehn Jahre ist es her, dass der verheerende Hurrikan 'Katrina' New Orleans verwüstete. Doch die Stadt am Mississippi ließ sich davon nicht unterkriegen. Anlässlich dieses Datums präsentiert Dee Dee Bridgewater zusammen mit dem New Orleans Jazz Orchestra eine Hommage an die musikalische Historie der Metropole. Mit beeindruckenden Resultaten: "Dee Dee's Feathers" entpuppt sich als vorzügliches und atemberaubend inszeniertes Jazz-Album.
"One Fine Thing" aus der Feder des ewig zu Unrecht unterschätzten Harry Connick, Jr. präsentiert sich als perfekt gewählter Appetizer. Der Track erfreut mit einem stimmigen Arrangement, überraschenden Wendungen, Improvisationen und einer spannungsvolle Inszenierung. Das Ganze klingt nach perfekt mitgeschnittenem Live-Auftritt. Kein Wunder, wurde das Album doch in nur wenigen Tagen aufgenommen und atmet so den Charme eines Konzertmitschnitts.
Die Esplanade-Aufnahmestudios befinden sich passenderweise in den Räumen einer damals vom Sturm stark beschädigten und inzwischen wieder restaurierten Kirche. Diese Stimme! Bridgewater greint, röhrt und verführt. Nur selten relaxt sie mit samtener Gesangsanlage ("Come Sunday"). In erster Linie gibt sie Volldampf. Ganz im Stile des klassischen Jazzgesangs übernimmt sie häufig makellos intonierte Instrument-Passagen (wie im fulminat umgesetzten "New Orleans"). Ihr Vibrato umschmeichelt hauchzart, um ansatzlos wieder aggressiv und energisch den Kosmos des Jazz neu zu beleben.
Die musikalischen Begleiter sid ausnahmslos Hochkaräter. Dr. John ist ohnehin ein alter Buddy Dee Dees, Irvin Mayfield als Leiter des Jazz Orchestras sorgt für den stimmigen Hintergrund. Der Longplayer ist ein Mix von Klassikern der Region und einigen frisch eingespielten Tracks, die in erster Linie dem Fundus von Künstlern der Region entstammen. Was gleichzeitig eine klare Liebeserklärung an die Stadt und ihre Einwohner bedeutet.
Dee Dee und Orchester nehmen sich Zeit. Viele Titel besitzen eine Laufzeit von fünf bis sieben Minuten. Manch Original fällt ursprünglich deutlich kürzer aus. Doch die Sängerin hütet sich davor, Altbekanntes nichtssagend aufzublähen. Vielmehr erweckt sie die Klassiker zu völlig neuem Leben und zeigt, wieviel ungebrochene Vitalität der Jazz noch immer versprühen kann.
Braucht es noch eine Cover-Version von Louis Armstrongs "What A Wonderful World"? Klingt das Resultat so wie hier, lautet die Antwort eindeutig: "ja!" Im Prinzip erschaffen Dee Dee und ihre Mitstreiter hier auf über sieben Minuten Länge einen komplett neuen Song, bei dem Armstrongs Parts lediglich als verbindende Scharniere fungieren. Leise und intim eingespielt, mit akzentuierter Hintergrund-Trompete und dezenten Percussions unterlegt, erstrahlt Satchmos Classic in neuem Glanz.
Der "Treme Song/Do Whatcha Wanna" lässt lateinamerikanische Einflüsse durchschimmern. Mit dem munter umherswingenden "Whoopin' Blues" gelingt ein heiterer Abschluss. Wer weichgespülten Neoswing- und Barjazz-Platten über hat, wählt mit "Dee Dee's Feathers" die richtige Alternative.
Hier regiert der Ur-Jazz pur; dampfend, atmend, mal räudig-dreckig, mal elegant umherswingend. Inklusive hautnahem Eintauchen in schwüle musikalische Sumpflandschaften, in denen womöglich das gefürchtete Swamp Thing lauert; die richtigen Absacker - und andere Freuden - finden sich danach beim Besuch im French Quarter. Ganz klar: Die bislang überzeugendste Jazz-Platte des Jahres.
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