laut.de-Kritik
Jazz, den Deutschlands führende Frauenzeitschriften empfehlen!
Review von Kai KoppDas Esbjörn Svensson Trio hat, was alle Jazzmusiker sich wünschen: Erfolg! Und das nicht nur in eingeschworenen und überschaubaren Jazzkreisen. Kaum erschienen, tummelt sich "Viaticum" bereits in den Popmusikcharts. Obwohl ihr Klangkosmos den echten Trio-Jazz atmet, ist die Musik des E.S.T. so massenkompatibel, dass Deutschlands führende Frauenzeitschriften sie ihren Leserinnen für die kuscheligen Candlelight-Stunden ans Herz legen.
Balladesk entführt uns das Trio mit "Tide Of Trepidation" in sein musikalisches Universum. Warum als Titel des Openers "Flut der Beklemmung" gewählt wurde, bleibt ein Geheimnis. Es ist definitiv nichts Ängstliches, Erschüttertes oder Bestürztes in dem Song auszumachen. Im Gegenteil! Das E.S.T. führt damit perfekt in seine hochkarätige und gut gelaunte Tonkunst ein.
Auch "Eighty-eight Days In My Veins" und "The Well-Wisher" hauen volles Met in die Svenssonsche Smooth-Jazz-Kerbe und unterstreichen die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Trios, auf dem schmalen Grat zwischen Smooth und Schmalz mit seiltänzerischer Sicherheit zu wandeln. Zu keinem Zeitpunkt erliegt es dabei der Versuchung, in seichte Gewässer abzudriften. Diese fast einzigartige Fähigkeit ist der Motor seines Erfolgs, der auch "Viaticum" schnurstracks in die Herzen der Menschen kutschiert.
Den ersten musikalischen Höhepunkt setzt "The Unstable Table & The Infamous Fable" mit perlenden Klavier-Arpeggi, treibenden Snare-Kapriolen und ausführlichem, verzerrtem Bass-Solo. "Viaticum", der Titelsong, ist vom guten alten Chopin und seiner Kompositionskunst inspiriert und bewegt sich gekonnt im Spannungsfeld 'Klassik versus Jazz'. Selbstverständlich geht aber auch "Viaticum" letztendlich in einschmeichelndem Wohlfühl-Jazz auf.
"Letter From The Leviathan" punktet mit stoischer Seeed-Beatgrundlage. Die Grundstimmung bleibt mollig und unterschwellig bedrohlich, ohne jemals wirklich gefährlich zu wirken. Was sich zum wiederholten Male offenbart, ist die Kompetenz des E.S.T., noch so einfachen Themen einen improvisatorischen Verlauf abzutrotzen, dessen Spannungsreichtum und Ideenflut kaum zu überbieten ist.
Trotz aller wahrhaftiger Schönheit auf "Viaticum" (Achtung: ambienter Ghost-Track) sind die Themen nicht mehr so griffig wie einst. Im Vergleich zu früheren Kompositionen wohnt ihnen ein kargerer Erinnerungswert inne. Auch wenn das E.S.T. in der Zwischenzeit so ziemlich jeden Preis eingeheimst hat, den die Musikwelt hergibt, bleibt meine persönliche Lieblingsscheibe weiterhin "From Gagarins Point Of View". Das '99er Album ist die letzte Platte, bevor die halbe Welt den außergewöhnlichen Drei zu Füßen lag.
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