laut.de-Kritik

Zwei Country-Stars in den Fängen eines Indie-Produzenten.

Review von

Namedropping ist bei diesem Album unvermeidlich. Emmylou Harris, musikalische Weggefährtin von Gram Parsons, ist eine der bekanntesten Country-Sängerinnen. Einen Namen hat sich auch Rodney Crowell gemacht, eine Zeit lang Schwiegersohn Johnny Cashs (er war in den 80er Jahren mit dessen Tochter Rosanne verheiratet) und in den 70er Jahren Gitarrist in Harris' Band. Schließlich Joe Henry, Schwager Madonnas aber vor allem ein exzellenter Produzent, der Größen wie Solomon Burke, Aaron Neville oder Billy Bragg künstlerisch aufgepeppelt hat.

Eine interessante Kombination also, die ein außergewöhnliches Album erwarten lässt. Die spannende Frage lautet: Gelingt es Henry, dem Gesangsduo den Nashville-Schnulz auszutreiben und seinen eher trockenen, schnörkellosen Stil durchzusetzen? Ein freundschaftlicher Kampf der Titanen, sozusagen, da Henry bereits zwei Alben Crowells produziert hat.

Einfach hatte er es nicht, fanden die Aufnahmen doch in Nashville und nicht wie meist in seinem Studio bei Los Angeles statt. Wenig überraschend gehen die meisten Punkte in den ersten vier Runden an Harris/Crowell. Der Opener bietet ein schmachtendes Duett mit harmonisch gezupfter Gitarre und gemütlichem 4/4-Takt, Kontrabass, Klavier und Perkussionen sorgen für eine entspannte, leicht melancholische Stimmung. Auf "No Memories Hangin' Round" bringt Harris' hohe Stimme Herzen zum Schmelzen, begleitet von einer jaulenden Pedal Steel-Gitarre. "Bring It On Home To Memphis" deutet Southern Rock an, bleibt aber doch eher Country. "You Can't Say We Didn't Try" ist wieder nah am Wasser gebaut.

Doch Henry ist zäh und setzt sich in Runde 5 durch. Im geshuffelten "The Weight Of The World" mit Wurlitzer und Walking Bass hätte eine Soloeinlage Keith Richards' gut reingepasst, doch Jedd Hughes macht wie auf dem Rest des Albums seine Sache gut. Wie die anderen beteiligten Sessionmusiker ist er in Nahsville aktiv, untypischerweise hatte Henry diesmal sein Entourage nicht dabei.

Mit dem schnulzigsten Stück der Sammlung, "Higher Mountains" und der angerockten Uptempo-Nummer "I Just Wanted To See You So Bad" aus der Feder Lucinda Williams', zeigen sich Harris/Crowell zunächst unbeeindruckt, doch Henry gelingt mit der Ballade "Just Pleasing You" ein grandioses Comeback. "I used to get drunk all by myself / I wanted to be somebody else", singt Crowell, und erinnert dabei an Hank Williams. Das fröhliche "If You Lived Here, You'd Be Home Now" geht wohl auch eher auf die Kappe des Produzenten.

"Her Hair Was Red" schlägt wieder in die Schnulzenecke, das abschließende "La Danse De La Joie" bietet ansatzweise Elemente aus New Orleans oder irischer Folklore, wird aber leider ausgefaded statt das Album mit einem Rumms abzuschließen.

Alten Füchsen wie Harris/Crowell etwas vorzuschreiben, dürfte schwierig gewesen sein. Dennoch geht Henry nicht als haushoher Verlierer aus dem Ring. Gleichzeitig haben Harris/Crowell Mut bewiesen, indem sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht und sich einen Indie-Produzenten geholt haben. Schließlich haben sie mit ihrem ersten Kollabo-Album "Old Yellow Moon" (2013) begeisterte Kritiken und einen Grammy eingefahren.

Zwar hätte "The Traveling Kind" durchaus spannender ausfallen können, legt man die hohen Erwartungen aber ab, bleibt ein durchaus hörbares Album übrig. Und eines, das nicht an persönlichen Erinnerungen spart, angefangen beim Cover, für das Harris/Crowell persönliche Fotos und Notizen zur Verfügung stellten.

"We don't all die young to save our spark / From the ravages of time / But the first and last to leave their mark / Someday become the traveling kind", lauten die ersten Zeilen des Albums. Nur wenigen (und vielleicht den besten?) gelingt es, ihre musikalische Reise so lange fortzusetzen. Harris/Crowell (und auch Henry) gehören dazu.

Trackliste

  1. 1. The Traveling Kind
  2. 2. No Memories Hanging Round
  3. 3. Bring It On Home To Memphis
  4. 4. You Can't Say We Didn't Try
  5. 5. The Weight Of The World
  6. 6. Higher Mountains
  7. 7. I Just Wanted To See You So Bad
  8. 8. Just Pleasing You
  9. 9. If You Lived Here You'd Be Home Now
  10. 10. Her Hair Was Red
  11. 11. Le Danse De La Joie

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