laut.de-Kritik
Zwischen trippigem Electro und brezelndem Rock-Jazz.
Review von Kai Kopp"Mixing today with yesterday" ist das erklärte Albummotto von Erik Truffaz. Der Franzose und sein Quartett beschäftigen schon seit Mitte der 90er die europäische Jazzszene. "Bending New Corners" verkaufte sich 1999 sogar über 100.000 mal. Damals waren Hip Hop und Drum'n'Bass wichtige Stilelemente ihrer Musik. Nach einem Remix-Album (mit Reworks u.a. von Alex Gopher, Bugge Wesseltoft, Pierre Henry) und einem musikalischen Seitensprung von Erik hat das Quartett nun eine fast zweijährige Studioabstinenz hinter sich. Die Auszeit hat sich in allen Details gelohnt!
Irgendwo zwischen trippigem Electro (Today) und psychedelischem Rock-Jazz (Yesterday) schicken sie ihre Riesenschildkröte auf die Reise. Vorbei an groovenden Elektro-Klangwelten der Jazz-Neuzeit und brezelndem Retro-Rock-Jazz. Miles Davis hat 1969 damit angefangen als er mit "Bitches Brew" furchtlos die Rockmusik vereinnahmte. Er schenkte der Welt weitere ekstatische Alben und hemmungslose Livesessions, kraftstrotzend und wegweisend. Erik Truffaz gelingt es, den Geist dieser Aufnahmen ins neue Jahrtausend zu transportieren. Von derselben Muse geküsst, die seinerzeit schon Miles bezirzte, bringt er uns mit "King B", "Next Door" und "Seven Skies" drei Retros zum abgehen, headbangen oder was auch immer.
Die anderen Titel beschäftigen sich mit atmenden Electrogrooves, ambienten Klanglandschaften und jazzig-melancholischen Melodien. ETs Schildkröte wird damit auch all deren Leben verschönern, die Nils Petter Molvaer als modernen Electrojazztrompeter schätzen. Facettenreiche Kompositionen und eine gelungene Produktion runden den Gesamteindruck ab.
Was verbindet nun Miles Davis, Nils Petter Molvaer und Erik Truffaz? Sie sind musikalische Freigeister die sich vom Jazz ernähren, und sich nicht scheuen, ihn auch zu verdauen! Ich weiß, der Chef der Bande hat sich schon vom Acker gemacht. Ganz sicher schwebt er jetzt grinsend durch die Galaxis und freut sich ein Bein aus über sein Alter Ego.
Nils Petter Molvaer hat trotz innovativer Eigenständigkeit seine Breitenwirksamkeit bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit "The Walk Of The Giant Turtle" könnte das nun auch Erik Truffaz gelingen. Es ergeht ein Kaufbefehl an alle, die mit einer gestopften Trompete und psychedelischem Electro etwas anfangen können.
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