laut.de-Kritik

Der Deutschrap-Jahrgang verfehlt das Klassenziel.

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Falco nimmt fraglos eine Ausnahmeposition in der deutschsprachigen Musik ein. Mit seinem unerschöpflichem Style-Reservoir erfuhr er weltweite Anerkennung, ohne dafür seine österreichischen Manierismen ablegen zu müssen. Die zu seinem Todeszeitpunkt noch überschaubare und vergleichsweise undifferenzierte Hip Hop-Szene beeinflusste er damit erheblich. So gesehen, handelt es sich um eine naheliegende Idee, ein Dutzend bekannter Namen des hiesigen Rap-Geschehens zusammenzutrommeln, um dem Vorbild zu huldigen. Doch wie schlagen sich 20 Jahre nach dem vorzeitigen Ableben des Lehrers die viel zu lange unbeaufsichtigt gebliebenen Schüler?

Bereits die erste Singleauskopplung "Jeanny" von Ali As ließ nichts Gutes erahnen. Im 1985 zum Skandal hochgejazzten Song nimmt Falco ohne Aussicht auf ironische Brechung konsequent die Täterposition ein. Damit stellt "Jeanny" sowohl für den Künstler als auch den Hörer eine Herausforderung dar. Basstard traf mit seiner Cover-Version auf "Zwiespalt (Weiss)" den Kern des Originals. Dagegen unterläuft Ali As die authentische Besessenheit mit Trap, Codein und Witzeleien: "Ich verpass' dir Kugeln wie'n Christbaum."

"Der Kommissar" erzählte als Aushängeschild von Falcos Debüt "Einzelhaft" auf elegante Weise vom Katz-und-Maus-Spiel zwischen der vergnügungssüchtigen Wiener Jugend und der ausführenden Staatsgewalt. Mit dem ehemals charismatischen wie lässigen Sido scheint der ideale Interpret für eine Neuauflage gefunden zu sein. Doch das superintelligente Drogenopfer gibt sich völlig gelangweilt und hat den Kontakt zur Halbwelt offenbar verloren: "Er nimmt mich fest und packt sein Koks in meine Hosentasche. Das hab' ich jetzt von meiner großen Klappe." Mit trotziger Miene beklagt sich der Sekten-Rapper darüber, von der Polizei ungerecht behandelt zu werden: "Er kann machen, was er will."

Doch Sido befindet sich nicht einmal in Sichtweite der Talsohle. Ohne jedes Gespür für die jeweiligen Vorlagen presst die Mehrzahl der Akteure diese in ihr etabliertes rohes Konzept. Omik K. ersetzt für "Tricks" die beschwingte Selbstreflektion des Originals mit Grobschlächtigkeit und schiefem Gesang. In "Emotional" berauschte sich der Österreicher einst an seiner überschwänglichen Gefühlswelt. Bei 3Pluss bleibt vom großen Spektakel lediglich blubbernder Minimalismus übrig. Frauenarzt münzt den Text zu "Auf Der Flucht" zwar gekonnt auf die Jetztzeit, doch die homöopathischen Falco-Dosen versinken chancenlos im Bass.

"Sterben Um Zu Leben" liefert aber auch einige lobenswerte Würdigungen. Dabei handelt es sich immer um die Beiträge, die behutsam mit den ursprünglichen Titeln umgehen und deren Essenz beibehalten. Für "No Time For Revolution" verwendet Haze das gesamplete Gitarrenriff aus dem Song von '98. Während Falco im Original die zunehmende Entpolitisierung der Jugend über die vorangegangenen Jahrzehnte behandelte, bringt der Karlsruher nun seine eigene Politikverdrossenheit mit ein: "Ganzen Tag Baustelle, richtige Probleme. Ich hab' keine Zeit für das, was die Politiker so reden."

Als gelungen erweist sich auch Kontra Ks Umgang mit "Zuviel Hitze". Achtsam überträgt der Erde-&-Knochen-Rapper das Stück von 1982 ins Jahr 2018, wobei sich seine solide Stimme angenehm in das aufgefrischte Instrumental einfügt. Zudem fängt Kontra K das Thema rund um Falcos letztlich verhängnisvollen Hang zum Drogenkonsum hübsch ein: "Doch wenn der weiße Engel alle seine Federn verliert, ist das Fliegen nicht mehr so leicht." Der schmissige Refrain des Falken bleibt dabei erhalten: "Es ist zu heiß für mich in dieser Stadt. Hier ist zu viel weiß, ich sehe mich nicht satt."

Als Highlight sticht außerdem die Hedonismus-Hymne "Junge Römer" hervor. Das Titellied aus Falcos zweitem Album über die von spätrömischer Dekadenz durchdrungene Jugend gehört ohnehin in jede Bestenliste des Österreichers. In die neue Version grooven sich die für ihre Lockerheit nicht gerade berühmten Testo und Grim104 von Zugezogen Maskulin wunderbar ein. Mit der ausschweifenden Hipster-Szene kennen sich die beiden Berlin-Beobachter ohnehin bestens aus. Unschwer lässt sich hinter dem "Kolosseum" der überregional bekannte Club Berghain ausmachen.

"Deutscher Rap ist ein Kindergarten", wusste Fler bereits auf seiner wuchtigen Interpretation des "Rock Me Amadeus"-Instrumentals zu berichten. Nun zerlegt ein anderer die Hit-Single aus "Falco 3" zu einem der ungenießbarsten Songs des Jahres. Sun Diegos seelenloser Autotune-Brei markiert fraglos den Tiefpunkt einer an Höhepunkten armen Kompilation. Rabengleich klaut er trendige musikalische Versatzstücke, um sie als seine eigenen Erfindungen auszugeben: "Ich filterte die Szene, denn alle Rapper sind Sons of Sun." Seine mehrheitlich minderjährigen Anhängerschaft wird er auch glauben machen können, der Erfinder von Afro-Trap zu sein.

So steht Sun Diego erneut als Sorgenkind des versetzungsgefährdeten Jahrgangs dar. Abgesehen von Kontra K, Zugezogen Maskulin, Haze und Nazar, dessen Remix jedoch nicht an das orientalische Instrumental der "Camouflage"-Version heranreicht, endet die eigentlich schöne Idee, sich gemeinschaftlich hinter der Leitfigur zu versammeln, mit der Verfehlung des Klassenziels. Der offenkundige Klassenunterschied zu Falco erweist sich einfach als zu groß.

Trackliste

  1. 1. Zuviel Hitze (mit Kontra K)
  2. 2. Der Kommissar (mit Sido)
  3. 3. Rock Me Amadeus (mit Sun Diego)
  4. 4. Vienna Calling (mit Celo & Abdi und Niqo Nuevo)
  5. 5. No Time For Revolution (mit Haze)
  6. 6. Macho Macho (mit Jugglerz und Rio)
  7. 7. Junge Römer (mit Zugezogen Maskulin)
  8. 8. Jeanny (mit Ali As)
  9. 9. Emotional (mit 3Plusss)
  10. 10. Zwischen Zeit & Raum (JMP Remix) (mit Nazar)
  11. 11. Tricks (mit Omik K)
  12. 12. Auf der Flucht (mit Frauenarzt)

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