laut.de-Kritik
Weit stimmiger, als die Logik erlaubt.
Review von Dani FrommDas Konzept hinter diesem Album klingt simpel: Farhot kehrt in das Land zurück, das er als Kind verlassen musste, und verwebt, was er in seiner alten Heimat Afghanistan an Samplematerial ausgräbt, zu einem neuen, gar wundersamen fliegenden Soundteppich. Auf dem lässt es sich, angetrieben vom mittlerweile ordentlich aufgestauten Fernweh, bestens der Enge entfliehen. Einmal nach "Kabul, the ancient capitol of the mountain locked kingdom", bitte!
Tatsächlich wirkt nichts an "Kabul Fire Vol.2" simpel und wenig so, wie es auf den ersten Blick scheint. Darauf stimmt bereits das Intro ein: "Bale Bale" braucht nur ein paar Sekunden, um mit staubigem Klavier Stummfilm-Atmosphäre anzutäuschen, nur, um sie im nächsten Moment mit einem Voicesample über den Haufen zu rumpeln. In knappe 35 Sekunden packt Farhot hier bereits ein ganzes Szenario.
So geht es gerade weiter. Vom Reggae-Groove aus "Kalun" ist es für den Hit-Produzenten nur ein winziger Schlenker über die elegischen Streicher, die "Yak Sher" den opulenten Anstrich geben, zu "Check" - was sich dank JuJu Rogers als astreiner Rap-Track entpuppt. Die Hook steuert Nneka bei. Der Großteil des Albums bleibt allerdings instrumental.
Perlende Pianonoten ("Kishmish"), ein rauchiges Saxofon plus soulige Backgroundchöre ("Feel Ugly"), Flötentöne neben einer funky quakenden Gitarre ("Ahange Qadimi"), dramatische Trommelwirbel und hypnotische Loops ("Pul") und das immer wiederkehrende Klaviermotiv: Farhot arrangiert dieses wüste Sammelsurium zusammen mit Lyrik, Filmschnipseln, Sprachsamples und anderen Klangfetzen zu einem Gesamtbild, das sinniger ausfällt, als es die Logik eigentlich erlaubt.
Wo dieser Mann den nötigen Überblick hernimmt, um aus den vielen losen Fäden derart stimmige Texturen zu weben, wird vermutlich sein Geheimnis bleiben. Hier wachsen auf jeden Fall Dinge zusammen, von denen kein Mensch sonst eine Ahnung hatte, dass sie zusammengehören könnten. Verspieltheit und Dringlichkeit, reichen einander die Hände, Laut und Leise, und was eben noch exotisch und fremdartig erschien, wirkt, eingebettet in zwingende Arrangements, urplötzlich eingängig und vertraut.
Zugleich angestaubt und brandaktuell zu klingen: Dieses Kunststück beherrscht Farhot wie aus dem Handgelenk. Von der emotionalen Herausforderung, die eine derartige kulturelle Wurzelsuche für ihn bedeuten musste, bleibt nur die Intensität spürbar, nicht der erforderliche Kraftakt. Wie viel Akribie und Mühe darin stecken, dieses Puzzle so zusammenzusetzen, dass das Ergebnis derart smooth und natürlich erscheint, kann man nur ahnen.
Den entspannten Hörfluss verwirbelt einzig das eine oder andere allzu abrupte Trackende. Aber so ist das eben: Wenn der Teppich dick genug ist, stolpert man halt hin und wieder über die Ränder. Macht nix, man landet ja weich.
6 Kommentare mit 10 Antworten
Finde ich wirklich sehr dope, 4/5 geht klar.
Jap, das klingt gut und interessant. Und endlich mal wieder auch ein Nneka-Lebenszeichen, die hat ja gefühlt Jahre nix gemacht, was ist da eigentlich los?
Der Track "Hayot" mit dieser Shirin allerdings unterirdisch, aber wenn das das Essen auf den Tisch bringt, ok.
Hast du auf den Track aus der Tracklist geklickt?
Habe zunächst die von laut verlinkten Tracks durchgeskippt, auf dem Album ist der ja (zum Glück nicht).
Du glaubst doch bitte nicht, dass der verlinkte Track von Farhot ist?
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Ich ging in der Eile davon aus und daher wunderte ich mich ja auch, wie oben beschrieben.
Der Fehler liegt also bei laut.de, falscher Künstler in der Track-Übersicht.
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@Dani
Wie hieß noch mal die Band, bei der die Videos von Baustellen verlinkt waren?
tieflader.
Das ist einfach zu herrlich
Als nicht offiziell zur Lohnbelegschaft gehörender Kommentarspalten-Pöbel darf ich Anfängerfehler machen und so was schreiben wie bspw:
"Klingt in Danis Text und dann auch im "Yak Sher"-Video wie das uneheliche Kind von Amon Tobin und Bonobo!"
Weiß aber unheimlich zu gefallen, die Platte.
Sehr schönes, wenngleich auch bedrückendes Album. Noch stimmiger und zeitloser als der Vorgänger. Für mich 5/5.
Überkrasses Album. Fand die Achse Sachen schon heftig, aber dieses Ding ist so rund unfassbar.
Durchgehend
9/10