laut.de-Kritik

Manche Tracks rettet auch sein hervorragender Rap nicht.

Review von

Vor die Wahl gestellt, ob "Alles" oder "Nichts", muss man Fat Joes mittlerweile sechstes Album mit einem "Nichts" abwatschen. Der große Wurf, also "Alles", ist dem Paten der Bronx mit "All Or Nothing" definitiv nicht gelungen. Aber zum Glück gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern auch viele freundliche Grautöne, demnach fällt das Urteil nicht ganz so vernichtend aus.

Das wäre auch unangebracht, denn: Fat Joe kann rappen. Sein Flow trägt mühelos ein ganzes Album und mehr - nur: Neu ist das nicht, das wissen wir schon seit "Flow Joe". Die verkaufszahlenfreundliche Mischung aus gestandenen Eastcoast-Tracks und charts-kompatiblen R'n'B-Nummern ist ebenfalls nicht neu; nach diesem Kochrezept entstanden bereits die letzen beiden Alben. Es ist ja auch nichts Verwerfliches daran, ein Auge auf die Plattenverkäufe zu haben. Sehr schade allerdings finde ich, dass Fat Joe sich so wenig auf seine Hardcore-Wurzeln besinnt; zu Zeiten von "Jealous One's Envy" hat er mir einfach besser gefallen.

Bevor wir aber hier in 'Damals war die Welt noch in Ordnung'-Nostalgie abgleiten, werfen wir doch endlich mal Auge und Ohr auf "All Or Nothing". Allgegenwärtig scheinen seit ein paar Jahren hochgepitchte Stimmsamples zu sein. Etlichen Zeitgenossen geht das grandios auf den Wecker - mir nicht. Alte Bekannte auf Helium, ich finde das zuweilen hochgradig vergnüglich. So setzt das Intro die Three Degrees auf Speed, der Eröffnungstrack (der gleichzeitig mein Favorit ist) die R'n'B-Lady der 70er, Jackie Moore. Überhaupt habe ich mich über viele schöne Samples gefreut: In "Listen Baby" begegnet man Marvin Gaye und Tammi Terrell, und "Rock Ya Body" bedient sich so selbstverständlich bei Kool Moe Dees "Body Rock" wie "Safe 2 Say" Public Enemy zitiert. Recht so.

"Safe 2 Say" überzeugt dann auch gleich mit der fettesten Produktion von allen: Just Blaze trägt die Verantwortung für den klassischen, harten Beat, der beinahe, aber nur beinahe, an Queens "We Will Rock You" denken lässt. Dazu Fat Joes energische Reime - das rockt in der Tat. Once again back is the incredible. "My FoFo" schießt wortgewaltig gegen Kollegen 50 Cent, der sich unüberhörbar Fat Joes Unmut zugezogen hat. (Helft mir: Wessen Unmut eigentlich nicht?) Wenn man den Zwist ein bisschen verfolgt hat, sehr unterhaltsam. Tja, 50: You're fuckin' with the Don. Die beiden Teile von "Temptation" landen auch im Töpfchen: Part eins liefert melancholische Pianoklänge im Kontrast zu doch eher drastischen Lyrics (das ganze auch rhythmisch sehr interessant), während Teil zwei mit Streichern und einer nicht üblen Drumeinlage aufwartet. Und niemand kann bemängeln, es würden keine Geschichten erzählt werden.

Der größte Teil der Beats stammt von Cool & Dre aus Miami. Ob das die beste Entscheidung war? Die billigen Keyboardsounds nerven besonders in "So Much More" und "I Can Do U" doch gewaltig. Letzteres erntet zudem für die entsetzliche Hookline und eingestreute Michael-Jackson-artige "Uh!"s und "Au!"s ein klares Nein. Diesen Track rettet auch Fat Joes hervorragender Rap nicht. Das Aufgebot an Gaststars versendet sich ebenfalls, da hätte man etliches sparen können. "Everybody Get Up" wird es, unverkennbar Timbaland, problemlos in die Clubs schaffen. Da aus mir in diesem Leben wohl nicht mehr der größte Timbaland-Fan unter der Sonne wird, lässt mich die Nummer trotzdem eher kalt.

Ebenso das von Scott Storch produzierte "Get It Poppin'": Ein Nelly-Track, wie er im Buche steht. Wer's mag, wird Spaß haben. Den Remix von "Lean Back" unter Beteiligung von Lil Jon, Eminem, Mase und Remy Martin halte ich für ebenso gelungen wie auf diesem Album überflüssig. "Lean Back" konnte man an anderer Stelle wirklich ausgiebig hören, man muss sich fragen, ob hier nicht lediglich der Erfolg eines Hits ein zweites Mal abgefrühstückt werden soll. "So Hot" mit R. Kelly schlägt in die Best-of-both-worlds-Kerbe. Hip Hop trifft R'n'B, was manchmal funktioniert, häufiger (wie in diesem Fall) doch recht beliebig wirkt. Furchtbar und absolut zu vermeiden ist die schreckliche Schmonzette "Hold U Down" mit J-Lo; von deren süßlichem Gesinge möchte ich mich nicht aus einem Fat-Joe-Album verabschieden lassen. Wirklich nicht.

"The more things change the more stay the same." Was also muss passieren, um Fat Joe wieder auf den knackigen Pfad zurückzubringen, auf dem man ihn Mitte, Ende der 90er fand? Ach, damals ... Als Big Pun noch am Leben und die Welt noch in Ordnung war!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Does Anybody Know
  3. 3. Safe 2 Say (The Incredible)
  4. 4. So Much More
  5. 5. My FoFo
  6. 6. Rock Ya Body
  7. 7. Listen Baby
  8. 8. Get It Poppin' (Featuring Nelly)
  9. 9. Temptation Part I
  10. 10. Temptation Part II
  11. 11. Everybody Get Up
  12. 12. I Can Do U
  13. 13. So Hot (Featuring R. Kelly)
  14. 14. Lean Back (Remix Feat. Lil Jon, Eminem, Mase & Remy Martin)
  15. 15. Beat Novacane
  16. 16. Hold You Down (feat. Jennifer Lopez)

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