laut.de-Kritik

Das bisher persönlichste Drama der Indie-Rock-Queen.

Review von

"How big how blue how beautiful!" dachte sich Florence Welch wohl letztes Jahr irgendwann, als sie den blauen Himmel über L.A. begutachtete. Das sei wie eine Message gewesen, erzählt sie Jools Holland in dessen Talkshow über den Albumtitel. Groß und schön ist es dann tatsächlich geworden, das dritte Album der sechsköpfigen Indie-Folk-Rockband.

Während die beiden Vorgänger "Lungs" und "Ceremonials" doch sehr realitätsferne Themen wie Fantasiewelten behandelten und man sich beim Interpretieren der Texte mit allerhand Metaphern herumschlagen musste, widmet sich Frau Welch auf dieser Platte universell zugänglichen Motiven wie Liebe und Sehnsucht. Sie rechnet ab mit vergangenen Beziehungen und ihrem ruhelosen Ich und gewinnt letztlich die Erkenntnis, dass Dinge manchmal einfach kaputt gehen - das Leben geht dennoch weiter.

Gewohnt laut bringt sie diese Erkenntnis an den Mann. Die gute erste Hälfte der Songs hat vor allem eins gemeinsam: Einen langsamen, sanften Anfang, der relativ schnell in einer rockigen Indie-Hymne mündet. Hier herrscht Aufbruchstimmung, aber Mitschunkeln ist jederzeit erlaubt. Es ist unüberhörbar, dass die Britin leidet und kämpft, letztlich aber wieder gefestigt und mit beiden Beinen im Leben steht. Eine Folge der Zeit, die nach der langen Tour mit dem letzten Album "Ceremonials" kam. Danach nahm sie sich nämlich ein Jahr Auszeit – samt Einzug in die erste eigene Wohnung, zerbrochenem Herzen, vielen Partys und einem Nervenzusammenbruch.

"Ich habe mich selbst nicht glücklich gemacht und ich war sehr instabil. Es war demnach auch eine sehr verletzliche Zeit für mich, in der wir das neue Album aufnahmen – deshalb würde ich es als mein persönlichstes Album bisher bezeichnen", so Welch zum Radiosender BBC 1. Diesen Prozess teilte sie mit Produzent Markus Dravs, der schon für Arcade Fire oder Björk produziert hat. Ebenfalls sehr laute, präsente Platten, weshalb er und Florence And The Machine ein wunderbares Team abgaben.

Großartige Bläser-Arrangements paaren sich auf "How Big How Blue How Beautiful" mit Chören, orchestralen Elementen und vielen Gitarren. Dank Welchs kraftvoller Stimme steht der Gesang auf einem Level mit der sehr opulenten Instrumentierung. So manches Mal denkt man beim Hören, man sei gefangen im Beginn eines epischen Films, etwa beim Intro zu "Queen Of Peace". Am Ende von "Third Eye" dagegen befindet man sich im Abspann und fühlt sich wie nach einem erfüllten Kinoabend. Und das Trompeten-Outro des Titeltracks "How Big How Blue How Beautiful" ist an cineastischen Aspekten sowieso kaum zu übertreffen.

Dass es ihr persönlichstes Album bisher ist, zeigt sich nicht nur dadurch, dass Drama Queen Florence ganz alleine mit ihrem Vornamen auf dem Cover verweilt - die Band steht mittlerweile definitiv im Hintergrund. Auch klingt die Sängerin erwachsener und weiser, als hätte sie einen Sturm hinter sich gelassen. Bei ihr waren das vielleicht Nervenzusammenbrüche, Beziehungsprobleme und Eskapaden, die sie durch die Songs bewältigt. Dabei herausgekommen ist eine Platte mit elf (in der Deluxe-Version sogar 16) kraftvollen Stücken voller Emotionen, Pathos und Opulenz. Florence ist trotz des Breakdowns ganz die Alte geblieben.

Trackliste

  1. 1. Ship To Wreck
  2. 2. What Kind Of Man
  3. 3. How Big, How Blue, How Beautiful
  4. 4. Queen Of Peace
  5. 5. Various Storms & Saints
  6. 6. Delilah
  7. 7. Long & Lost
  8. 8. Caught
  9. 9. Third Eye
  10. 10. St. Jude
  11. 11. Mother

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7 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Das Album auf dem Florence die vierte Wand bricht. Ohne die entrückte Selbstdarstellung und die Bildsprache wirkt der Pathos billig und aufsässig, in dem Sinne sagt das Cover schon alles. Solide, langweilig, ohne Zauber, mit Mühe noch 3/5.

    • Vor 9 Jahren

      Bildsprache? Geht's hier nicht um die Musik?

    • Vor 9 Jahren

      (what kind of man) Like always, you could never make your mind / And with one kiss / You inspired a fire of devotion / That lasted 20 years / What kind of man loves like this.

      vs.

      (kiss with a fist) My black eye casts no shadow / Your red eye sees no blame / Your slaps don't stick /Your kicks don't hit /So we remain the same.

      Verzeih diesen konstruierten Vergleich, aber ja: Bildsprache.

    • Vor 9 Jahren

      Ich denke Tinco dachte da eher an "Ceremonials" und darauf Songs wie "What The Water Gave Me", in der Florence das Untergehen im Wasser und das Absinken in ungeahnte Tiefen als unglaubliche Freiheit ansieht.

      "so lay me down,
      let the only sound,
      be the overflow,
      pockets full of stone"
      ....

      In einem Interview erwähnte Sie mal, dass sie dieses Gefühl Unterwasser zu sein, mit all den Sinneseindrücken eines der Hauptelemente von "Ceremonials" ist. Sowas könnte man durchaus als Bildsprache bezeichnen ;)

  • Vor 9 Jahren

    Mh, ich finde das Album mal wieder wunderschön. Der Review kann ich nur zustimmen.

  • Vor 9 Jahren

    Was heutzutage alles so als Indie durchgeht, ist schon erstaunlich. (Radiokompatibler Pop mit Majorlabel im Rücken). Trotzdem gutes Album, ich mag es. Sehr authentisch, organisch, gute Stimme, ordentliche Songs, sauber abgemischt.

  • Vor 9 Jahren

    Das Album ist gut, keine Frage. Für mich nur teilweise zu ruhig und zu "nett". Schon bei Ceremonials hat mir was gefehlt, ich kann aber nicht richtig beschreiben was. Das Debut Lungs war wie ein Orkan, vielleicht war es auch der Überraschungsbonus eines Newcomers. Ich vermisse den Pomp und Größenwahnsinn von Cosmic Love, Drumming Song oder Rabbit Heart.

  • Vor 9 Jahren

    Hier kann man ausnahmsweise mal zustimmen. What Kind of Man hat mich bereits vor dem Erscheinen des Albums dermaßen begeistert, dass ich es kaum abwarten konnte, das ganze Album zu hören. Und auch Delilah und weitere Tracks, die vor dem Erscheinen heruntergeladen werden konnten, haben einen interessanten neuen Stil vermuten lassen.
    Als absoluter Florence and the Machine Fan versuche ich hier aber mal etwas Abstand von meiner gnadenlosen Liebe für ihre Musik zu nehmen und versuche das gesamte Album in ihr bisheriges Gesamtwerk etwas objektiver einzubetten. Und da muss ich sagen, dass How Big, How Blue, How Beautiful, nach dem sehr außergewöhnlichen Debüt Lungs und dem grandiosen Ceremonials mit eher herbem, forschem Sound, insgesamt etwas flach daherkommt.

    Es ist ohne Frage immer noch ein gutes Album und man erkennt an vielen Stellen immer noch die besondere Note der Band trotz der Weiterentwicklung und dem neuen Stil in diesem Album, aber es fehlt trotzdem öfters das gewisse Etwas, das meiner Meinung nach die Vorgänger hatten. Allerdings lohnt es sich wie immer die Lieder mehrmals zu hören, da manche erst dann ihre besondere Note entfalten. Aber daher nur 4 Sterne von mir, da die Vorgänger meiner Meinung nach absolut 5 Sterne verdient haben und einfach etwas besser sind.

  • Vor 8 Jahren

    Das Album ist nur geil. Das Geweine und Gejammer von früher ist endlich weg. Bin gespannt, wohin die Reise geht. 5 Sterne.