laut.de-Kritik

Wir müssen uns bei unseren österreichischen Nachbarn entschuldigen.

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Wir müssen uns bei unseren österreichischen Nachbarn entschuldigen. Nicht genug, dass Deutschrock auch dort im Radio läuft. Jetzt ist die Chose über die Stationen Tomte - Virginia Jetzt! - Silbermond auch in Österreich gelandet. Freytag aus Wien liefern auf ihrem Debüt "Entdecker" eine wohldosierte Mischung aus Madsen und den Ärzten in unwitzig.

Das Rezept dafür lautet ungefähr so: Man nehme ein paar 08/15-Melodien, würze das ganze mit abgegriffenen Rock-Riffs und einem Schlagzeug, dass vor Rock-Klischees nur so strotzt, mische den Gesang penetrant nach vorne und lasse das Ganze so lange garen, bis es zu einem einzigen Brei wird. Denn im Formatradio darf nichts stören, sonst schaltet der Hörer das Gedudel aus.

Wie auf jedem Deutschrock-Album bietet auch "Entdecker" von allem etwas: das Rock-Brett mit Gitarrensolo ("Wenn Du Tanzt"), den gute-Laune-Song inklusive "Du Dudu Du Du Duu Duu"-Stumpfsinn ("Ans Meer") und die von Geigen getragene Ballade ("Lauter Denken"), die nach einer Minute allerdings auch wie der Rest klingt.

Handwerklich kann man den vier Jungs um Sänger und Gitarrist Martin Freytag keinen Vorwurf machen. Sie beherrschen ihre Instrumente. Bei akuter Ideenlosigkeit bringt aber alle Präzision nichts. Denn mit "Entdecker" haben Freytag ihr Album denkbar schlecht betitelt: Sie bewegen sich ausschließlich in bekannten Gefilden, nicht das kleinste Experiment, nicht die geringste Überraschung hat es auf die Platte geschafft.

Auf den Fotos im Booklet wirkt die Band so bemüht lustig und harmlos jugendlich wie eine gecastete Boygroup. Für das perfekte Industrieprodukt braucht man aber schon lange kein Casting mehr veranstalten. Und so stammen die Musik, die Texte und wahrscheinlich auch die dazugehörige nett-witzelnde Haltung ausschließlich von Martin Freytag. Wie die Musik, so bieten auch die vier Jungs keine Kanten und Ecken. Von Soul ganz zu schweigen.

Und was Bitte sind denn das für Texte? "Wir liegen hier am Strand/ Ich vergrab deine Beine im Sand/ Ist das nicht schön?" beginnt "Damals". Und diese Mischung aus Sechstklässler-Reimen und holterdipolter Dahingeschriebenem durchzieht fast das gesamte Album.

Thematisch handeln viele Lieder von einem diffusen Gefühl der Überforderung und dem starken Anpassungsdruck dieser Tage. Da es sich bei "Entdecker" aber um Erbauungsmusik handelt, folgt die Lösung des Problems spätestens im Refrain. Und die lautet: einfach mal loslassen, in den verschiedensten Varianten: "Du kannst loslassen/ Kannst dich fallen lassen/ Du bist schwerelos" ("Wenn Du Tanzt") etwa, oder "Sag mir wann hast du zum letzten Mal den Strand gesehen/ Lass uns gehen" ("Ans Meer"), "Es ist einfach abzuheben, zu schweben/ Lass dich einfach gehen" ("Höhenflug") und "Ich will hier einfach fort/ Zurück an diesen Ort/ An den Ort der Freiheit" ("Damals"). Und das waren jetzt nur die ersten vier Songs.

Auch diese Art der lauen Gesellschaftskritik ist typisch für Deutschrock vom Kaliber Kettcar bis Wir Sind Helden. Das alles dürfte Martin Freytag aber wenig stören, denn in einem Steckbrief auf der Band-Homepage beschreibt er sich als Silbermond-Fan. Popmusik als harmloses Wort zum Sonntag und Dauer-Berieselung im Radio hat allerdings alles Spannende und jede Relevanz verloren. Entschuldigung, Österreich.

Trackliste

  1. 1. Wenn Du Tanzt
  2. 2. Ans Meer
  3. 3. Höhenflug
  4. 4. Damals
  5. 5. Lauter Denken
  6. 6. Moment
  7. 7. Nacht Im Sommer
  8. 8. Entdecker
  9. 9. Halte Still
  10. 10. Alles Verkehrt
  11. 11. Unzertrennlich
  12. 12. Niemals
  13. 13. Am Ende

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