laut.de-Kritik
Londons schwarze Jugend holt sich zurück, was ihr gehört.
Review von Thomas HaasEs brodelt im Süden Londons. Nicht nur, dass sich die schwarze Jugend nach wie vor institutioneller Diskrimierung ausgesetzt sieht und es ungleich schwerer hat, sich gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Nein, Gaika zeichnet auf seinem wütenden und zugleich klugen Debütalbum "Basic Volume" das Bild einer unterdrückten Minderheit, die den endlosen Kampf um Gerechtigkeit und Identität gründlich satt hat. Seine Botschaft lautet unmissverständlich: "I wanna see you in rebellion, I wanna see you just fly".
Ganz unvermittelt kommt dieser Gegenschlag nicht. In den vergangenen Spielzeiten veröffentlichte Gaika mehrere ambitionierte EPs, die bereits den Aufstand erprobten. Auf seinem ersten Langspieler spinnt er diese Utopien nun so realitätsnah und dringlich weiter, dass man während der knapp einstündigen Laufzeit nie das Gefühl verliert, sich unmittelbar vor dem großen Knall zu befinden. Warp Records hat die inhaltliche Wucht des Londoners früh erkannt und bemerkt, dass die musikalische Intensität dem in nichts nachsteht.
"Basic Volume" ist beladen mit zehntausenden musikalischen Referenzen: Angefangen beim lokalen Grime und eisigem Dancehall bis hin zu krachendem Industrial bringt Gaika die Einflüsse seiner Jugend zusammen, um den beängstigend gewaltigen Soundteppich der Platte zu schaffen. An der wahnsinnigen Bandbreite an Sounds und Stimmungen hat Gaika als Co-Produzent selbst maßgeblichen Anteil. Jeder Moment ist durchtränkt von einer elektrisierenden Spannung, die sich jeden Moment zu entladen droht.
Nach einem verhältnismäßig abwartenden, schwerfälligen R'n'B-Einstieg, der mit den Worten "Naked and black in a white mens world" schließt, geht "Hackers & Jackers" gleich aufs Ganze. Eine gewaltige Bassline und Gaikas schauderhafte Stimme erzeugen eine Kulisse, die einem den bloßen Schauer über den Rücken fahren lässt. Wo sich Vocoder-Effekte und Autotune andernorts noch redundantem Einsatz ausgesetzt sehen, komplettieren sie hier das endzeitliche Stimmungsbild kohärent. Für Gaika ist sein Organ nur ein weiteres Mittel, Atmosphären zu verstärken. Zwar belegen eine Handvoll Songs eine offensichtliche Begabung zu einnehmenden Hooklines - die Stärke des Albums liegt allerdings in seiner herausfordernden Gänze.
"Crown & Key" geht als wütendster Song des Albums durch und macht seine Absichten unverhohlen deutlich: "When I bounce through / Salute for the king / Raise an arsenal / Because we strip everything / Every crown and key", heißt es da etwa. "Every ghetto youth must take back him crown/ Just ride if you’re down, this fight is right now". Schwer auszumachen, wann Hip Hop das letzte Mal solch eine dystopische Energie erlebt hat. Überhaupt passiert auf diesen 15 Songs so derart viel, dass weite Teile nur schwer zu greifen sind. "Black Empire (Killmonger Riddim)" gerät zur pulsierenden Dancehall-Nummer, die der Name verspricht, "Yard" klingt wie eine betäubte Szenerie, die in Zeitlupe abgespult wird.
Gaika räumt sämtliche Barrieren und Konventionen aus dem Weg, klassische Song- und Genrestrukturen interessieren ihn herzlich wenig. Er gräbt dafür in den tiefsten und schmutzigsten Ecken Londons und fordert den Hörer damit konsequent heraus. "Basic Volume" zählt somit zu einem der aufregendsten, expressivsten und vorwärtsgewandtesten Releases des bisherigen Jahres, das im Zweifel immer auf Konfrontation geht und sich dennoch seine scharfe Beobachtungsgabe bewahrt. So ist es genau das Stück Musik, das der Gesellschaft schonungslos und roh ihren dringend benötigten Spiegel vorhält.
1 Kommentar
Interessehalber mal den Titeltrack crown & key gehört aber holy fuck, alle paar Zeilen verstehst mal n Wort, dazwischen kein plan.... Des klingt net aggressiv, des macht höchstens nur!