laut.de-Kritik
Piekfein produzierter Stoner-Doom mit geheimnisvollem Anstrich.
Review von Benjamin TrollRetro-Rock aus Schweden, die 378ste. "Boah, schon wieder?", mögen jetzt einige denken. "Ja, aber …", antwortet der Redakteur. Denn so wie die nordschwedische Band Gaupa die Sache angeht, hat man das Ganze noch nicht gehört. Flog das Vorgänger-Album "Feberdröm" noch weitgehend unter dem Radar, könnte sich das mit der neuen Scheibe "Myriad" ändern. Ein Release bei Nuclear Blast dürfte doch für deutlich größere Aufmerksamkeit sorgen.
Wer die Band schon kennt oder andere Reviews gelesen hat, wird nur auf den Namen Björk warten. Den Vergleich mit der Grande Dame aus Island zieht man beim ersten Hören sofort. Sängerin Emma Näslund klingt ihr an manchen Stellen zum Verwechseln ähnlich, gelegentlich erinnert sie eher an Fever Ray. Trotz der Ähnlichkeit bleibt Näslund jedoch weit entfernt von einer bloßen Kopie. Zu gut beherrscht sie die komplette Bandbreite der gesanglichen Klaviatur. Von sanft flüsternd bis aggressiv schreiend gibt sie den Songs eine besondere Note. Gerade auf den teilweise auf Schwedisch gesungenen Nummern kommt der Gesang besonders eigen daher.
Musikalisch gehen die fünf Schweden einen anderen Weg als andere Bands ihres Genres. Weniger althergebrachter Blues mit dementsprechendem Klang, sondern piekfein produzierter Stoner-Doom mit deutlich geheimnisvollerem Anstrich dominiert die Soundlandschaft. Um einiges rifflastiger und mit mehr Details garniert als bei anderen Produktionen geht "Myriad" mehr nach vorne, beherrscht aber genau so gut die ruhigen Momente. Mysteriöse Balladen sind den Schweden nicht fremd. "Moloken" oder "Elden" bedienen sich melancholischer Töne, die skandinavische Herkunft lässt sich kaum leugnen. Anleihen aus Metal oder Grunge passen sich genau so harmonisch in die Klangwelt ein wie der eine oder andere kleine, spielerische Effekt. "Sömnen" kommt sogar gänzlich reduziert auf Gitarre und Stimme aus.
Besonders wohl fühlen sich Gaupa allerdings im Stoner-Doom, auf dem sich die beiden Gitarristen Daniel Nygren und David Rosberg austoben dürfen. Zusammen mit den surrealistischen Lyrics und der grundsätzlich gemächlichen, aber unaufhaltsam rollenden Rhythmus-Sektion (Erik Savström am Bass und Jimmy Hurtig an den Drums) ist sofort ein eigener und wiedererkennbarer Sound erkennbar. Sowohl der Opener "Exoskeleton" als auch "Diametrical Enchantress" setzen erste Ausrufezeichen. Das Highlight der Platte bildet aber zweifellos die großartige Vorab-Single "Ra". Ein knackiges Riff, herausragender Gesang und eine komplexe Spannungskurve zeigen außerdem, dass die Band aus Falun auch in Sachen Songwriting einiges auf dem Kasten hat. Ein bisschen Blues darf es auf "My Sister Is A Very Angry Man" dann trotzdem noch sein, auch an der Temposchraube wird gedreht.
"Myriad" schließt (ein bisschen zu früh) mit der siebenminütigen Hymne "Mammon", einem psychedelischen Kunstwerk, das noch einmal beweist, dass wir es mit Gaupa mit besonderen Vertretern des skandinavischen Rock zu tun haben. Trotz der Bezüge zu anderen Künstler*innen sind die Schweden zu eigen, zu spannend und vor allem zu gut, um in der Kategorie "Ferner liefen" im Schwedenrock einsortiert zu werden. Diese Band braucht definitiv mehr Aufmerksamkeit.
2 Kommentare mit einer Antwort
Richtig gut!
Klingt als müsste ich mal reinhören. Video ist vielversprechend. Schmackes vor Innovation.
Hör auch mal in den Vorgänger "Feberdröm" rein, find ich auf Albumlänge fast noch besser.