laut.de-Kritik
Es geht auch ohne RZA, und wie!
Review von Dani FrommAuf jedes einzelne Ghostface-Album habe ich mich gefreut wie ein Kind unterm Christbaum – jedes Mal begleitet von einer Spur Angst, ob die Erwartungen nicht doch einmal enttäuscht werden. Liegt die Messlatte hoch, geht der Sprung ja gerne in die Hose. Die Zweifel, die sich auch diesmal im Vorfeld breit machten (Geht das überhaupt? Kann man solches Niveau über Jahre halten?), erweisen sich erneut als vollkommen grundlos: Ghostface kann.
Drängend, gierig und energisch breitet er, verpackt in geschliffene Worte und verschachtelte Reime, Szenarien vor seinem Publikum aus, die sich ohne Weiteres als Drehbuchvorlagen eignen. Die übliche Drogen-, Gewalt- und Gangster-Thematik handelt Ghostface selbstverständlich ab, durchzieht diese aber mit einer Ladung Humor, für die man ihn küssen möchte. Persönliche und ruhigere Nummern ("Whip You With A Strap", "Momma") bewahren, ebenfalls augenzwinkernd serviert, vor inhaltlicher Eingleisigkeit.
Die Wahl der Kollaboratiospartner erfolgt mit gespenstischer Sicherheit. Neben der Abgeklärtheit eines Raekwon wirkt Ghost stets noch eine Spur hungriger. Ohne die Genossen vom Wu-Tang Clan geht gar nichts, mit Megan Rochell ("Momma") betritt nicht die übelste R'n'B-Stimme die Bühne. Jungstar Ne-Yo liefert ganz und gar unpeinliche gesungene Hooklines zu "Back Like That". Klavier, angemessene Uuuh-Uuuh-Backgroundchöre und Auszüge aus Willie Hutchs "Baby Come Back" verweben sich in einem relaxten Instrumental zu einem schlagkräftigen Beweis dafür, zu welch traumhaften Ergebnissen es führen kann, wenn sich Vergangenes und Neues, Gesang und Rap, Soul und Hip Hop, die Hände reichen.
Der Geist Motowns durchzieht "Fishscale" von vorne bis hinten. Funk wird großgeschrieben. Wer es nicht in "Shakey Dog" bereits kapiert hat, dem hämmert es spätestens MoSS in "Kilo" mit Bläsern und der Wah-Wah-Gitarre ein. Auch Just Blaze vereint in "Champ" alles Gestrige, das für bewahrenswert befunden wurde, mit den Errungenschaften von heute und bannt die fiebrige Atmosphäre eines Boxkampfes in einen Wahnsinnsbeat.
J Dilla, er möge in Frieden ruhen, steuert unter anderem zu "Beauty Jackson" anfangs einlullende Klänge bei, die zu einem dezenten Fundament für einen nahezu hypnotischen Rap morphen. Pete Rock strukturiert Ghostfaces und Raekwons ohne Pause flowende Lyrics in "R.A.G.U." mit Streichern im Stil der 60ies und einem kräftig akzentuierten Beat.
RZA verkündete einst im Interview, Ghostface klänge nur auf seinen Produktionen wirklich reif. "Fishscale" hält dem ein vielfarbig blinkendes "Mööp! Falsch!" entgegen. Ohne Wu-Tangs Hauptproduzent seinen Rang absprechen zu wollen: Mit Pete Rock, Ghost selbst, Just Blaze, dem seligen J Dilla und einigen anderen an den Reglern habe ich RZA keine Sekunde vermisst.
Besonders, wenn die metallenen Finger Dooms ins Spiel kommen, frage ich mich zum wohl tausendsten Mal: Wann entsteigt dieses Ausnahmetalent endlich dem Schatten des Untergrunds und begibt sich dahin, wo sich seit Jahren sein Platz befände: in die allererste Reihe. Mir fällt niemand ein, der in den letzten Jahren auch nur ansatzweise vergleichbare Quantität bei gleichbleibend exzellenter Qualität geliefert hätte.
MF Dooms Beiträge zu "Fishscale" demonstrieren auf das Eindrucksvollste seine Wandlungsfähigkeit. Piano-Loops untermalen den Auftritt des Clans ("9 Milli Bros"), mit revueartigen Klängen. "The ratpack is back" - keine Frage, auch Ol' Dirty Bastard grüßt wieder einmal aus der Gruft.
In "Underwater" stehen Ghosts schneidend klare Raps in einer im Kontrast dazu unwirklich gedämpften Kulisse. Wuchtige Drums und ein bedrohlich leiernder Dauerton sorgen in "Clipse Of Doom" für Beklemmung, während in "Jellyfish" deutlich leichtere Kost serviert wird. Schräge Gesangseinlagen verbreiten Kirmesstimmung, Klassiker wie "Never Can Say Goodbye" und "Let's Get It On" geben sich die Hand - eine weitere tiefe Verbeugung vor den Ahnen. Verzeiht meine Schwärmerei, aber zum Teufel, vertraut mir: Ich bin nicht ganz ohne Grund ein Doom-Fan.
Wir haben Frühling - und ich mit "Fishscale" einen sicheren Anwärter für meine Album-Charts 2006. Auch, wenn ich mir von den beteiligten Herren hoffentlich niemals den Weg in die Heart Street erklären lassen muss.
4 Kommentare
sehr sehr krasses Album übrigends.
da liegst du mehr als richtig
oh ja.
Das Album ist super, ganz großer Wurf.