laut.de-Kritik
Grottig - grässlich - Gregorian.
Review von Ulf KubankeDunkelheit liegt über der Stadt. Ein paar tausend arme Teufel stehen zusammengepfercht in einem großen Saal des Grauens. Man vernimmt Donnergrollen. Blitze schießen vom Hallenhimmel herunter. Licht und Ton eskortieren ein paar Gestalten in Mönchskutte. Es gibt kein Entrinnen. Alle verharren in Schocklähmung. Sogleich beginnt die schwarze Sangesmesse der Masters Of Schmand. Das Folgende wird einer der schlimmsten Gigs, die ich je sah. Grottig - grässlich - Gregorian!
Frank Petersen, der Mann hinter Gregorian, ist ein echter Alchemist der Popkultur. Mit nahezu magischem Händchen beherrscht er die Disziplin, Silber und Gold in Blech und Ramsch zu verwandeln. Genau dies ist der unrühmliche Pfad von Enigmas tollem "Sadeness" (mit Cretu) zu "Live! - Masters Of Chant - Final Chapter".
Gregorianik ließe sich wunderbar mit allen möglichen Konzepten und Stilen der Moderne verbinden. Jan Garbarek etwa zeigte bereits vor über 20 Jahren ("Officium" mit dem grandiosen Hilliard Ensemble), wie wundervoll alt und neu zusammen passen. Popol Vuh schneiderten vor fast 40 Jahren Werner Herzogs "Nosferatu - Phantom Der Nacht" einen effektiven Soundtrack. Mit den kalkulierten Peinlichkeiten Gregorians hingegen, kann man sich höchstens nach unten orientieren.
Zugegeben: die Lightshow ist beeindruckend. Die Tontechnik makellos. Die Songauswahl birgt manch großartigen Klassiker. Wenn nur diese penetranten Stalking Monks nicht wären. Nach ihrer Version von Uriah Heeps "Lady In Black" versteht man nur zu gut, weshalb die edle Dame seit 1971 Trauer trägt.
Das Allerschlimmste: Der hodenbefreite Kastratengesang geht mit viel gutem Willem eventuell als mediokrer Countertenor-Schlager durch. Mit Gregorianischem Gesang im engeren Sinne hat diese Mogelpackung gleichwohl in etwa so viel zu tun wie Lucifer mit Weihwasser. Dies zu hören schmerzt besonders bei "Hurt" (Nine Inch Nails, Cash) bis ins Mark. Eine der schlimmsten Coverversionen aller Zeiten; höchstens postlobotomisch ertragbar.
Parsons tolle Poe-Hommage "The Raven" klingt im Original verschmelzend nach Edgar Alan Parsons. Mit Gregorian trauert man nicht um die verlorene Geliebte, sondern möchte ihr sogleich ins Grab folgen.
Doch so viel Glück hat das Publikum nicht. Es geht unerbittlich weiter. Spätestens bei der eitrig hingenölten Variante von A-has "Crying In The Rain" bietet ein Weinkrampf in verregneter Landschaft eine willkommene Alternative zu diesem Horrorkonzert. Wer dieses Machwerk der Pseudomönche komplett durchhält, braucht hinterher nicht nur einmal den örtlichen Exorzisten.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Fand solche Projekte immer ein Stück besser als die Schlagerproduktionen die heute noch laufen in den dritten Programmen des MDR z.b.. Las die Kleinhirne doch auch ein bisschen Spaß haben.
Da bist du auf dem falschen Dampfer. Ist trotzdem übler Müll.
Hurt geht nun wirklich gar nicht. Heulkrämpfe sind erträglicher.
@toni: wirklich eines der schlimmsten cover aller zeiten - neben kunzes aktueller "haus der lüge"-hinrichtung.
@speedi: das ändert sich, wenn du dir diesen gig anschaust/anhörst.
Das werde ich mit Sicherheit nicht tun, hab dafür mich über meinen Spotify Mix der Woche her gemacht. Lecker und wohl bekomms! http://ancientcave.blogspot.de/2016/10/mix…
Suuns wollte ich längst mal durch die Gehörgänge jagen, aber das wird Trumpelstilzchen noch verhindern, eh ich mal dazu komme.