laut.de-Kritik

Gar nicht mal so viel klar, ja.

Review von

"Das Problem ist das System, ja", wussten HGich.T schon vor langer Zeit. Bei den Hamburgern dagegen funktioniert das System, das Problem ist aber, dass ein wichtiges Zahnrädchen fehlt: Vhagvan Swami, die pöbelnde Urgewalt vom Deich, weil er sich unbedingt reproduzieren musste. Das ist auf "Lenovobeach" gar kein so großes Problem, da die Songs über einen relativ großen Zeitraum entstanden und auf einem merklichen Teil dann eben doch Herr Kaiser zu hören ist.

Das Problem von "Lenovobeach" liegt woanders und vielleicht, und das ist reine Spekulation, hat es damit zu tun, dass Swami für Nachbearbeitungen nicht mehr zur Verfügung stand. Während DJ Hundefriedhof auf der einen Seite glasklar (erneut) ein neues Produktionslevel erreicht hat, der Bass durchgehend satt und voll klingt und der Grundbeat fast überall gefällt (und live zumal mit unterstützenden Mitteln sicherlich abgehen wird), zündet das Songwriting trotzdem nicht.

Das liegt zum einen an den Vertretungen, denn der alte HGich.T-Voract Tony Draht hat "UDO" schlicht nicht im Griff. Der Beat ist fein, aber der MC zündet nicht ausreichend Dynamik im Gesang, alles versandet etwas. Dabei hilft ihm das Songwriting aber auch nicht, denn das ist ja eben Swamis Kunst, aus Stumpfsinn mittels superiorem Stumpfsinn einen Bastard aus Hochkultur und Pop zu kreieren. Etwas Variation hätte den Draht wohl gelockert. Auf "Teddy Lebt 2" macht es 12Fingermann nur ein wenig besser. Der Track hört sich unfertig an; als er nach zwei Minuten endlich interessant wird, war es das schon.

Und jetzt ist es eben so, dass das nicht nur die Vertreter am Mikrofon trifft, sondern auch für Swamis Songs gilt. "Merci Cherie" ist eine ganz traditionalistische Fingerübung, die für sich selbst als Song stehend zu wenig Druck entfaltet. "Saufe" hört sich an wie eine Demo und überzeugt den Hörer nicht, dass das wirklich so sollte. Der Titeltrack profitiert von der guten Sängerinnenleistung, baut sich zum Schluss fast eine Brücke, um durchzuziehen - die er dann aber nicht nutzt. Viel Stückwerk auf "Lenovobeach".

Der grundsympathische Ansatz von "Schwarze Gitarre" verharrt im Niemandsland zwischen Kunstlied von Christian Redl und Dollerei. Nach eineinhalb Minuten ist die Idee auserzählt und blödelt nur noch redundant vor sich hin - und das eben nicht nur textlich, sondern auch musikalisch. An manchen Stellen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Hundefriedhof selbst nicht immer komplett zufrieden war. "Geistig Am Start" beendet er im Wesentlichen nach der Hälfte des Songs, entlässt den Hörer, aber verzagt nicht. "Das Schwert" ist einer der schlechtesten Songs des Bandkatalogs, ausschließlich der "Aktiv!"-Schrei zum Ende hin birgt einen Wiedererkennungswert. "Euphoria Superstar" mit den guten Die Geschwister geht auch nicht so recht auf. Die beiden Sound-Ansätze treffen sich durchaus in der Mitte, gleich sind sie nicht wirklich kompatibel, nur weil sie dasselbe Publikum jeweils kompetent bedienen. Das Ergebnis wirkt künstlich zusammengeklebt.

Doch ist nicht alles schlecht; erstens machen HGicht.T immer noch Spaß und sind schlicht unterhaltsam. Die Single "Adapter" kommt dem klassischen Popsong wohl näher als jemals zuvor und macht schlicht Laune. Der vor gefühlt Dekaden ausgestiegene Fosserill, der Swami wohl live auf der anstehenden Tour primär vertreten soll, macht einen guten Job, auch weil er den Meister eben nicht nachäfft und genug eigenes Gewicht nachweist. "Der Knecht" zeigt, dass die Therapie bei Steffi vielleicht ein bisschen zu gut gewirkt hat. Die Fallhöhe stimmt, und noch viele Stunden nach dem Anhören ertappt man sich beim Skandieren: "Steffi muss weg". Im zugehörigen Video zeigt Tutenchamun übrigens seine bis dato beste schauspielerische Leistung. Der Ausbruch zum Ende dürfte ruhig noch mehr Industrial tanken und wäre damit, wie so viel auf "Lenovobeach", durch wenige Tweaks um so vieles interessanter. Die Tracklist war übrigens im Presskit samt Remix von "Adapter" angekündigt, dieser fehlte dann aber in den Vorabversionen.

Trackliste

  1. 1. Lenovobeach
  2. 2. Adapter
  3. 3. Schwarze Gitarre
  4. 4. UDO
  5. 5. Das Schwert
  6. 6. Saufe
  7. 7. Geistig Am Start
  8. 8. Plastiktüte (Remix bei Schalkalwis)
  9. 9. Euphoria Superstar feat. Die Geschwister
  10. 10. Merci Cherie
  11. 11. Teddy Lebt 2

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