laut.de-Kritik
Als würde Ufo361 Lederhosen tragen und Blasmusik samplen.
Review von Yannik GölzEs klingt wie eine größere Story. Der erste indische Rapper, der international durchbricht. Das sollte ein großes Ding sein, oder? Mir kommt es vor, als gäbe es kaum eine globale Region, die kulturell so wenig nach außen dringt, wie der indische Subkontinent. Es gibt auch kaum eine Bevölkerungsgruppe, gegen die man so normalisiert rassistisch sein darf wie die Inder.
Hanumankind sollte als erster, großer Kulturbotschafter zu dieser sicherlich spannenden und lebendigen indischen Rapszene auf dem globalen Parkett ein großes Ding sein. Aber jetzt, wo sein Durchbruchshit "Big Dawgs" verklungen ist, müssen wir wohl leider attestieren: Mehr als ein Sprung in den globalen Hip Hop ist er einfach nur ein zweiter Masked Wolf. Erinnert ihr euch an den? Just im Vorjahr hatten wir nämlich schon mal einen Fall von einem Lyrical-Spritiual-Miracle-Rapper von einem weit entfernten Teil der Welt, der über einen astreinen Travis Scott-Type-Beat gestolpert und damit global viral gegangen ist. Und genau wie "Astronaut In The Ocean" hat leider auch "Big Dawgs" seinen viralen Moment recht schnell verbraucht.
"Monsoon Season" kommt also fast spät, um Hanumankind jenseits einer Meme-Fußnote in seltsamen Hip Hop-Jahren wirklich im Rapgame zu platzieren. Dabei muss man sagen: "Monsoon Season" ist alles andere ein schlechter Versuch. Der Mann selbst stolpert zwar immer wieder über seine wirklich unübersehbare Corniness, aber selbst damit kommt durch, dass er sein Herz am rechten Fleck hat. Und jenseits von ihm und seinen Fähigkeiten sollte "Monsoon Season" bitte als absolute, andauernde Referenz reichen, um Produzent Kalmi in die absolute Oberliga zu katapultieren.
"Monsoon Season" ist das Produkt von zwei Südstaaten-Rap-Nerds, die mit fast zehn Jahren Verspätung die Frage stellen, wie ihr eigenes, perfektes A$AP Rocky-Album klingen würde, wenn der Kerl selbst schon nicht in die Pötte kommt. Die Feature-Liste steht klar da: Denzel Curry, Maxo Kream, Roisee (kennt man vom letzten Metro Boomin-Album). Dazu bekommen wir bretternde, aber nicht komplett trippy Houston-Rap-Bretter, die immer wieder eine gewisse Cineastik mittragen. Ja, das Tape ist musikalisch zwar Popcorn-Kino, aber man kann mir nicht erzählen, dass Beats wie "Someone Told Me", "Cause" oder auch das inzwischen totgehörte "Big Dawgs" nicht absolute Meisterklasse bieten. Aber nicht nur brettern die Grooves fast immer detailliert und facettenreich vor sich her, man muss auch die Vielseitigkeit an Sounds und Songstrukturen loben. Da wird definitiv einiges richtig gemacht.
Das Ding ist nur ... Hanumankind selbst. "They get nervous, when a man get deep", attestiert er sich selbst auf "Holiday", aber ich glaube, er missversteht die Gründe. Dieses ganze Album ist von oben bis unten voll von einem Geschwätz, dass es einem die Fußnägel hochrollt. Der schlimmste Offender damit ist definitiv das fast sechsminütige "Cause", in dem er Bro-igen Deeptalk exerziert, über den sogar Jaden Smith die Augen rollen würde. Checkt diese ganze Passage: "Even if what it takes is to hurt and to harm / Or to kill if need be 'cause the path that you on / Is the one you believe, yeah, the one that will lead you / To all that you seek and to all that you need / To all that you wish for, to all that you dream". Warum auch etwas Konkretes sagen, wenn man sich hinter der anrüchig-seufzenden Deepness der größten Wörter der Welt verstecken könnte?
Und es tut mir so leid, weil der Mann wirklich amtlich süß wirkt. Der letzte Rapper, der so unzynisch, so aufrichtig von Hip Hop überzeugt war, dürfte Logic gewesen sein. Und mit dem teilt Hanumankind leider im Guten, aber leider vor allem im Schlechten eine Menge Eigenschaften. Schon auf dem Intro spittet er Lines wie "I know some people who rich and who lame / I know some people who poor and legit", als würde das jetzt vor Weisheit unsere Gehirne schmelzen. Nein, sag bloß, bro?
Etwas ambivalenter fühlen sich die Referenzen auf den indischen Musikkosmos an. Ich kann wertschätzen, dass Tracks wie "Run It Up" oder Features von Rudy Mukta ein bisschen Lokalkolorit ins Album bringen. Aber machen wir uns nichts vor: Das Herz dieser beiden Jungs schlägt für Houston. Das sind absolute Trap-a-boos, und Amiland ist ihre einzige ehrliche Marschrichtung. Ein klein bisschen bilde ich mir ein, dass ihre Abbildungen von indischer Musik jetzt hier drin verwurstet sind, als hätte Ufo361 nach all den Jahren tatsächlich irgendwie den Durchbruch in den Staaten geschafft, müsste jetzt aber Lederhosen tragen und Blasmusik samplen, weil die Amis sein Deutsch-sein so herzallerliebst finden.
Gut, ich übertreibe, man merkt Hanumankind einen gerechtfertigten Stolz an, diese Botschaftsmission zu übernehmen. Trotzdem gibt es mir ein bisschen ähnliche Vibes wie seinerzeit die eines Rich Brians, bei dem ebenfalls das, was Leute in ihm interessant fanden, und das, was er eigentlich machen wollte, nicht so richtig übereins gekommen sind. "Monsoon Season" tapselt deswegen ebenfalls eher ungalant zwischen Novelty und eigenem Sound hin und her, als könne es selbst nicht ganz den Finger darauf legen, was die Leute jetzt eigentlich von ihm wollen.
Wenn wir ehrlich sind: Hanumankind, trotz gutem Flow, guter Energie und einem sehr sympathischen Vibe, hat vor allem lyrisch einfach nicht das Zeug für die Oberliga. Und Lyrik wäre bei Sound-orientierter Musik ja nicht mal so wichtig (weswegen "Big Dawgs" funktioniert hat), aber er kommt nicht umhin, seine Versuche an Deepness immer wieder in den Vordergrund zu rücken, an denen er sich dann aber konsequent überhebt. Kalmi dagegen? Ich hoffe, er säuft mit diesem Album nicht mit ab. Ich hoffe, wir werden noch einiges von Kalmi hören.
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