laut.de-Kritik
Eigenkompositionen? Schuster, bleib bei deinem Leisten!
Review von Martin LeuteSpaßvögel sind sie schon immer gewesen, die Bluegrasscombo Hayseed Dixie. Eine solche Veranlagung und ein Hang zur Ironie ist die Voraussetzung, wenn man sich seit sechs Alben und ebenso vielen Jahren der Interpretation bereits existierender Songs widmet.
Das ist durchaus charmant und witzig, und die Jungs haben die Lacher auf ihrer Seite, wenn sich beim Hörer der Aha-Effekt einstellt, weil er deren ins Country- und Bluegrass-Genre transformierten AC/DC-Songs, Scissor Sisters' "I Don't Feel Like Dancing" oder Queens "Fat Bottomed Girls" als Coverversionen ausmacht oder gar für das Original hält. Auf ihrer neuen Scheibe mit dem programmatischen Titel "No Covers" verzichten sie auf Fremdmaterial und setzen erstmals auf eigene Songs.
Das von Hayseed Dixie geschaffene Genre Rockgrass lässt sich insofern treffend auf "No Covers" beziehen, weil das Quartett die Hälfte der Lieder, im Gegensatz zu den Vorgängern, mit elektrischen Gitarren eingespielt hat. Die Jungs wollen ihre musikalische Eigenständigkeit unter Beweis stellen; ob dieses ehrgeizige Ansinnen beim Hörer ankommt, bleibt abzuwarten.
Der Opener "Bouncing Betty Boogie" dröhnt gutgelaunt aus den Boxen, Banjo, elektrische und akustische Gitarre arrangieren die klassische Rhythm And Blues-Akkordfolge. Die ungemein ohrgängige Melodie lässt fast den zweideutigen Text vergessen, der Erotik und das Töten in eine Beziehung zueinander stellt.
"Set Myself On Fire" nimmt diese Stimmung auf, verzichtet aber auf die E-Gitarre. Stattdessen sorgt die Violine für smarten Hillibilly-Chic. "When Washington Comes Around" offenbart sich als radiotaugliche Südstaatenrock-Nummer mit kräftigem Backgroundchor.
Leidenschaftlicher Ernst zeichnet die akustische Instrumentierung und den Gesangsvortrag in "Born To Die In France" aus, in "Stephanie Come To Me Secretly" fängt die pathetische Stimme Barley Scotchs dann allerdings an, mich zu nerven. Die Absehbarkeit der Melodielinien trägt ihren Teil dazu bei, trotz der ambitionierten Texte.
Da ist es schön, dass mit "Stonewall Hicks" eine hübsche Banjo-Nummer folgt, die gewitzt von AB-Ansagen unterbrochen wird. "Everybody Knows" geht mit ansprechender Melodielinie als Popnummer durch, "Gonna Be Alright", "Trickle Down" und das großartige "Donkeys In Morocco" verbreiten wieder lässigen Western-Charme. Mehr davon!
Rhythmus und Struktur des deplazierten Rockers "You've Got Me All Wrong Baby" sind dagegen nur als ironische Referenz auf Ramones-Songs zu verstehen. Eine ähnlich aufgesetzt aggressive Punkrock-Note trägt "Frustration", bevor das Album versöhnlich mit dem vom Banjo instrumentierten "That's It I Quit" endet.
Schuster, bleib' bei deinem Leisten, möchte man sagen. An Vielseitigkeit mangelt es "No Covers" wahrlich nicht, und genau das ist das Problem dieser Platte. Es ist allemal ehrenwert, musikalisch neue Wege zu beschreiten, auch Bob Dylan hat einst unter größtem Protest zur E-Gitarre gegriffen.
Dennoch, für mich bleibt Hayseed Dixie eine Band, die vom Charme ihrer liebenswerten Bluegrass-Arrangements lebt. Mit "No Covers" Album haben sie diesen zur Hälfte eingebüßt, zumal auch das Songmaterial nur teilweise überzeugt.
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