laut.de-Kritik
Er mag weder Trap noch Trump.
Review von Philipp Kause"Man Down" wirkt sicher ein bisschen aus der Zeit gefallen, soll aber auch so sein. "She's still active like the 90ies / didn't have to remind me" gibt Ice Cube die Losung gleich am Anfang aus: Nostalgie ist hier Absicht und Wunsch.
Seines Zeichens einer der bedeutendsten Vers-Jongleure der ersten Welle des Westcoast-Rap, machte er sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten rar. Ein, zwei Singles pro Jahr waren war ihm genug in den 2010ern, manche davon landeten 2018 auf dem letzten Album "Everythang's Corrupt". Der Clou des Releases lag in seiner Ankündigung: In derselben Woche, als die USA während der ersten Trump-Regentschaft die Mid Term Elections (Halbzeit-Wahlen) abhielten, erschien "Arrest The President" mit der vielsagenden Hookline "Arrest the president / you got the evidence: That nigga is Russian Intelligence". Das Video zum Song karikierte Donald Trump, indem es einfach nur dessen eigene Werbe-Filme verwurstete.
Wer jetzt neue Seitenhiebe erwartet oder Satirisches erhofft hat, wird von "Man Down" abgesehen von einer Anspielung auf Harvey Weinstein und MeToo in "Scary Movie" ansonsten ein bisschen enttäuscht sein. Trotzdem, Gesellschaftskritik gibt es, an den Millenials. Und die Platte löst einen unausgesprochenen Auftrag ein, nämlich in der aktuellen Kette von Claims aus der Pionier-Generation noch einen drauf zu setzen - nachdem Common & Pete Rock, Rakim, LL Cool J, MC Lyte und die Connection Snoop Dogg / Dr. Dre ordentlich ablieferten und damit die Geburtenjahrgänge 1965, '68, '70, '71 und '72 repräsentieren. Ice Cube fällt da mittenrein, ist jetzt 55. Millenials dürften ihn maximal aus dem Film "Straight Outta Compton" kennen, der Würdigung seiner einstigen Crew N.W.A.. In seinem Song "Good Cop, Bad Cop" sampelte er sich vor ein paar Jahren selbst, mit "Fuck Tha Police", dem N.W.A.-Klassiker.
Solche Glorifizierung der eigenen Vergangenheit vollzieht sich zwar jetzt nicht noch mal, aber immerhin ist der alte Niggas With Attitudes-Kumpel E-40 mit an Bord. Angesichts der vielen Gäste auf dem Album und der Präsenz, mit der sie Cube mitunter die Schau stehlen, hat "Man Down" eh schon fast Compilation-Charakter. Unterm Strich mindert das den Spaß nicht: Das Reim-Feuerwerk sprüht Funken.
"Learned swimmin' in a pissy ass pool / The golden rule was acting like a fool / Didn't let this OJs use you like a tool", diktiert man in "Break The Mirror", einem beattechnisch kraftvollen Stück, das sich energetisch als Anfeuerungs-Soundtrack zum Bergsteigen eignen würde. Ohne Umwege sollen die Worte ins Ohr rauschen. "I like a classy chick with some nasty tricks / So lick when the ass is thick", so flowen sie im schnellen "She's Sanctified ft. E-40, October London, Snoop Dogg, Too $hort". Es überrascht kaum, dass die versammelten Pionier-Jungs auch der Versuchung erliegen, Klischee-Matches unterzubringen wie 'snitches' auf 'bitches' - in der obligatorischen Weed-Hymne "No Cap" - oder Kinderreime wie 'say' auf 'day'.
Manchmal übertrifft sich O'Shea aber selbst, wenn Formulierungen nicht nur klanglich, sondern auch inhaltlich zusammen gehören und er Wörter desselben Themenfelds aufeinander reimt wie im Opener "Rollin' At Twilight". Von "Mic on" gleitet er über den Umweg der "python"-Schlange wieder zurück ins Wortregister der Unterhaltungselektronik, zum "i-phone", und auch die folgende Line ist so ein Treffer: "Didn't go to College / still got the knowledge / still got the wallet / to make this deposit", ich hab kein College besucht, aber trotzdem das Wissen behalten und außerdem den Geldbeutel, um diese Kaution zu hinterlegen. - Hier vereint sich die gesammelte Weisheit des Street-Rap, in dem Life Experience nun mal mehr zählt als ein Zertifikat, und Cash aus der Patsche hilft, um den Knast zu verlassen. In den kam man wegen der rassistischen Polizei, so erfuhr die Welt es einst 1990 auf dem Album-Klassiker "AmeriKKKa's Most Wanted".
Das erste Solo-Werk Cubes traktierte damals die Litanei von Black Lives Matter in witzigen Worten und toll getexteten Szenarien des Alltags der People Of Color in Los Angeles, satirisch überzeichnet, mit einer ernsten Überschrift, den drei 'K' des Ku-Klux Klan im Titel. Jetzt knüpft "Man Down" ans Lebensgefühl jener alten Platte an. Gleichzeitig atmet manches auf der Sprach-Sound-Ebene den Geist der Zeit, als Rap überhaupt etwas Frisches, Überraschendes war. "Spit that ism, and if they really listen. / You know this ism'll keep 'em out of prison. / You know this ism'll keep you on a mission", rät er, den eigenen Werten treu zu bleiben.
In "Talkin' Bout These Rappers" analysiert O'Shea direkt, was ihm und manchen seiner Altersgenossen in der Szene missfällt. Der Tune greift die Belanglosigkeit heutiger Trap-Möchtegerns an, die mangels Auftritten ihre Zeit auf der Chat-App Discord tot schlügen. Deren Wissen über Hip Hop sei "piss poor". Als Diss-Track feuert die Nummer gegen die breite Allgemeinheit der Likes-Jäger, die anstelle eines Konzepts und mangels Geduld darum betteln, dass man ihre mediokre austauschbare Musik ohne nachzudenken sharen möge, damit sie danach in den Stand versetzt würden, aufgrund ihrer Internet-Popularität vielleicht eines Tages mal wirklich relevante oder gute Tracks aufzunehmen.
Musikgestalterisch zelebriert die Scheibe (unironisch) den 'guten alten' 808-Sound. Discopop lässt grüßen. Bei "Especially You" meint man Harold Faltermeyer zu hören. Der treibende, pumpende Track für späte - das heißt frühe - Stunden im Club claimt ausdrücklich "everybody on the dancefloor". "She's Sanctified" moduliert ungeniert "West End Girls" von den Pet Shop Boys und das gleich alte, extrem ähnliche "Sanctified Lady" von Marvin Gaye, eingängiger geht's wohl kaum. "Three Lil Piggies" zitiert dann schon mehr die 90er, erinnert an Organized Noize. Westcoast-Flair umweht die Gesamtheit aller Tracks, G-Funk rules, wenn auch meist untergärig, also wenn man genau auf die Basslines achtet. Durch die vielfache Betonung Kaliforniens als stolz gefeierte Herkunft stuppst die L.A.-Crew uns immer wieder drauf.
"She's Sanctified" gräbt sich auch durch R'n'B-Obertöne, Snoop Dogg und weitere spielen einander die Bälle zu. Statt der West End Girls handelt das Lied von lügenden und betrügenden Mädchen. Die Themen der Platte sind die üblichen: Flirts, ansatzweise sexistische Blicke auf 'Bitches', falsche Freunde, 'Nigga'-Identitäten und krumme Lebensläufe, die rettende Kraft von Cannabis und eine lakonische Sicht aufs Leben in den Metropolen, resigniert aber nicht. Statt verbittert wirkt der Boomer befreit, weil frei von Erwartungen: "Living life with no regrets / And I'm so convinced: this world, it don't makes sense", lautet die Lösung beispielsweise in "Not Like Them".
"Young fool, call me 'oldschool'", schmettert der vom Zeitgeist zwar abgehängte, aber eben nicht den Trends nachlaufende und somit irgendwie nonchalante Altmeister, der in "Especially You" immerhin ganz nebenbei den Acid-House der 80er überzeugend wieder belebt. Den Digital Natives hält er entgegen, dass ihre Smartphones sie dumm machten. So könnten sie nicht mal Google-Maps lesen oder den Weg in ihre eigene Straße finden, andererseits auch nie ohne das Gerät das Haus verlassen. "Back to the future, it's a crisis / Controlled by these hand devices / Smartphone equal dumb domes" schimpft er, warnt vor K. I., sie sei "fake shit / that make people irrelevant." - Er ziehe da aber nicht mit auf seiner Mission, den Funk zurück zu bringen.
Wie er ätzt, das ist Konfrontation, eingekleidet in bounzenden, lockeren G-Funk-Style. Den verbalen Knicks vor Warren G. kann er da in "Ghetto Story" nicht lassen. Eigentlich steht dessen Erbe ja per se für Optimismus. Doch in diesen Zeiten zeichnet der Mix aus Scratches, Schreien und Background-souligem 'ooooh ooooh' der Crazyness unserer postmodernen Ära eine Fratze des Absurden. In seinen Details spiegelt der überzeichnende Sound genau das Resignative des Textes. Das alte Trauma des Vietnamkriegs dient als metaphorische Krücke im Stakkato-Hardcore "5150" (fifty-one fifty), "crazy as a Vietnam veteran" hält als Chiffre her fürs Leben mit Zwangsstörungen, Panikattacken und Gewalt-Fantasien - auch wenn sie vielleicht einfach einem Cannabis-Entzug entspringen. "She ain't bipolar, this bitch buy weed". "5150" ist ein kalifornischer Code im Sozialversicherungssystem, der mentale Krisen bezeichnet.
Die beiden Themenfelder Psychopharmaka und Smartphone fließen in "Break The Mirror ft. Xzibit" zusammen, in einer der stärksten Zeilen von "Man Down": "I'm a Instagram model, click the link in my bio / With all these natural disasters, the oceans are risin' / The drinkin' water gettin' shorter, them people is lyin' / Feedin' us fentanyl and TikTok." - Fentanyl ist ein sehr betäubendes, starkes Opiat, das in Pflastern zur Behandlung chronischer Schmerzen eingesetzt wird und das die beiden Wortakrobaten hier mit TikTok gleich setzen. Sehr treffend, wie ich im ersten Moment finde. Im zweiten Moment, so hat es eine arte-Reportage kürzlich recherchiert, ist Fentanyl jedoch zurzeit die Todesursache Nummer Eins bei 18- bis 45-Jährigen in San Francisco.
Umso mehr TikTok die Köpfe und der X-Chef sein Land regieren, hält sich Cube an vergangenes Handfestes mit Substanz, interpoliert Notorious B.I.G., sampelt die Three 6 Mafia und ein paar Electrofunk-Classics der 80er, lässt DecadeZ, einen Typen aus dem E-40-Umfeld in mehreren Titeln die Beats bauen und konzentriert sich für die Zukunft in unserer allseits begrenzten Zeit auf dem Planeten darauf, sich das Paradies zu erkämpfen, siehe "Fighting For My Life In Paradise ft. Kurupt". Obwohl Ice Cube von seinen Positionen her auf "Man Down" oft so rüber kommt wie Gottschalk in seinem aktuellen Buch, bezirzt die Platte mit ihren Melodien und ihrer gelungenen Mischung aus leichter Unterhaltung und Tiefgang mit Munition, easy-going, aber doch irgendwie hardcore.
3 Kommentare mit 3 Antworten
Würde ich jetzt nicht sagen, dass Millenials ihn nicht kennen. Ich meine, man hört/kennt ja nicht nur Musik aus seiner Generation.
manche rapper sind zeitlos
massiv auch schon 20 jahre in bizz
der vorgänger war besser, aber cube ist immer ice und kein billig scheiß
So Leute, das wars, ich bin draußen, wer mich sucht sollte wissen wo ich zu finden bin. Der Müll wie diese Review (deposit heißt nicht Kaution sondern Einzahlung, got heißt habe erhalten nicht habe behalten, E-40 war nicht bei N.W.A. und ein Mensch mit Philipps Pigmentierung sollte in diesem Zusammenhang keineswegs derart läppsch das N-Wort droppen, und allgemein: Was ist das wieder für eine VERFICKTE Lyrikanalyse (und nicht einmal ne Gute!), du bist nicht mehr im Deutsch-LK, such dir nen Job) und einige der Nutzer hier sind mir weder die 3,99, noch die Javascript-Hölle wert und auch nicht 15 Minuten arbeit, um einen monkey-wrench da rein zu schmeißen, nee nee, bumst eich!
Mach's gut, Anzeigenhauptmeister.