laut.de-Kritik
Conscious und Fuffies im Club: Eine liebevolle Hommage.
Review von Alexander EngelenDass Stones Throw, L.A.s führende Independent-Plattenmanufaktur, J Dillas "Ruff Draft" gerade jetzt neu auflegt, ist natürlich kein Zufall. Jüngst im Februar jährte sich James DeWitt Yanceys Todestag das erste Mal und etliche Trauerbekundungen zeigten, dass Dilla erst nach seinem Ableben der Ruhm zuteil wurde, den er bereits im Jahr 1996 verdient hätte (Wer das übertrieben findet, sollte sich bitteschön kurz sein Trommelfell von den Drums auf The Pharcydes "Drop" penetrieren lassen.) Da hört man die Die Hard-Meute natürlich gleich mal laut "Ausverkauf" und "2Pac'sche Leichenfledderei" schreien.
Dabei beißen genau diejenigen sich nur deshalb in den Allerwertesten, weil sie das Original gerade für teures Geld bei eBay erstanden haben. Vielmehr ist diese Re-Issue eine Verbeugung vor Jay Dees unkonventioneller Art und Weise, Musik zu machen und eine verdammt nette Geste für alle seine Fans - diese, die schon seit De Las "Stakes Is High" dabei sind und jene, die ihren ersten Dilla-Beat auf Bustas "The Big Bang" hörten.
Damals, im Jahr 2003, erschien "The Ruff Draft EP" nämlich lediglich auf Vinyl, auf Dillas eigenem Label Mummy Records veröffentlicht, mit Vertrieb von der heimischen Groove Attack-Bagage. In einer Zeit, in der die Musikindustrie Jay Dee ihre fiese Fresse zeigte: MCA Records, bei denen Dilla gerade einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben hatte, atomisierte sich aufgrund unerfindlicher Business-Geschäfte und legte bis auf Weiteres die Aussicht auf eine Dilla-Veröffentlichung auf Eis. Was Dilla noch viel schlimmer traf: Etliche seiner Fürsprecher aus den Fanreihen äußerten ihre Enttäuschung gegenüber Commons eklektischer Seelenfindung "Electric Circus", an der Dilla maßgeblich beteiligt war.
Dilla jedoch, der sich seit jeher nur widerwillig mit der Industrie angelegt hatte, ließ diese negativen Vibes an sich vorbei ziehen und begab sich schlichtweg in sein Studio in der Heimatstadt Detroit, um eine ungeplante, wie auch ungeschliffene Momentaufnahme zu schaffen: "Ruff Draft". Damals mit lediglich zehn Songs veröffentlicht, kommt die Neuauflage nun mit vier Extra-Tracks und einer Bonus-CD mitsamt aller Instrumentals in die Läden.
So zerpflückt und abgefahren improvisiert "Electric Circus" auch war, so markierte "Ruff Draft" den Übergang zu Dillas neuem Projekt Jaylib mit Beat Konducta Madlib, das zudem den Schulterschluss mit Stones Throw Records einläutete. Musikalisch bedeutete das die Rückkehr zu den typisch rollenden Dilla-Drums, MPC-Magie und einer bis dahin eher selten gezeigten, oder vielmehr von der Öffentlichkeit ignorierten Sympathie Dillas für Blunts, Weiber und Dollar-Scheinen.
Denn obgleich Dilla ohne Frage das Zertifikat eines Säulenheiligen der Conscious-Bewegung in der Tasche hatte, war er nie abgeneigt, völlig breit die Fuffies im Club zu werfen: "If you wanna fuck all night. Let me hear you say: I wanna fuck all night!" "Crushin' (Yeeeeaah!)" bringt es auf einem unverschämt relaxten Gitarren-Loop auf den Punkt. Thematisch geht es also genau um das, was dogmatisch als Damoklesschwert über dem Hip Hop-Genre schwebt: Mädels bürsten, Dübel rauchen und Toys in die Wüste schicken. Bei Kollegin Fromm dürfen das ohne Beanstandung die Ying Yang Twins und bei mir eben J Dilla. Wieso? Weil es wohl wenige andere Menschen gibt, die musikalisch aus so wenig, so viel machen können.
Bei Sample-Kunst in derart liebevoller Kleinstarbeit, wie etwa auf "Intro (Alt)" oder dem grandios scheppsen "Wild", könnte er über meine Mutter rappen und ich würde es ihm nicht übel nehmen. Gleiches Recht räume ich nur Gastrapper Guilty Simpson ein, der das sowieso schon herrlich lahm schlürfende "Take Notice" mit seinen Selbstbeweihräucherungen komplettiert. Und wenn ich schließlich das traurig verträumte "Nothing Like This" höre, wünsche ich mir den Protagonisten endgültig wieder zurück, dann könnte er sich mal mit Chris Martin oder Radiohead über eine Zusammenarbeit unterhalten.
21 Kommentare, davon 20 auf Unterseiten
i wanna fuck all night.
sag: hast du wieder geheult?