laut.de-Kritik
Hawaiianer hat Angst vor dem Sprung in die Wellen.
Review von Franz MauererAn Jack Johnson war schon immer interessant, wie sehr er mit einem starken Gefühl verbunden wird. Selbst in Pirmasens oder Baden-Baden fühlt man den Sand förmlich durch die Zehen rieseln, wenn der Mann aus Oahu ins Mikrofon schmachtet. Eine Entwicklung im Ouevre gibt es dabei durchaus, bis "In Between Dreams" dominierte das naive, unschuldige Element in Johnsons Schaffen, mit seiner prägenden Direktheit und bestechendem Songwriting. Seit "Sleep Through The Static" ist Johnson ein Produktionsmittel offensiver nutzender Musiker geworden, der sich immer noch sehr distinktiv anhört- aber den nächsten Schritt weder auf "To The Sea" noch auf "All The Light Above It Too" ging. Sich auf die eigenen Songwritingfähigkeiten zu verlassen, ging auf "From Here To Now To You" gut, man konnte aber das Gefühl nicht abschütteln, dass insgesamt viel mehr drin wäre beim Surferboy.
"Meet The Moonlight" vertreibt diesen Eindruck nicht, es verstärkt ihn im Gegenteil noch. Es verstärkt ihn in den etwas langweiligen, soliden, aber beliebigen Pop-Folk-Nummern "Open Mind" und "3AM Radio", weil der Sänger hier merklich fremdelt, keinen Zugriff auf die eigenen Songs zu kriegen scheint, kurzum, etwas zu gut für so auswechselbare Nummern ist.
Förmlich ins Gesicht schreit es einem aber bei "One Step Ahead", wenn Johnson sich zur Abwechslung mal wie jemand anders anhört, nämlich wie der großartige Kevin Morby. Oder im lebendigen, aber in seiner Widerspenstigkeit leider im Ansatz feststeckenden "Don't Look Now". Verantwortlich für diesen leichten Wandel im Soundbild ist die starke Rolle von Produzent Blake Mills, der einen Großteil der Gitarrenparts einspielte und faktisch Johnsons bisherige Band ein Stück weit ersetzte.
Das mündet in einem atmosphärischeren, reicheren Sound und eröffnet Johnson neue Wege: Das sich Stück für Stück aufbauende "Windblown Eyes" ebenso wie das hymnische "Any Wonder" folgen Johnsons Stimme zwar, sie steht aber weniger im Vordergrund als bei den Alben der jüngeren Vergangenheit, beziehungsweise muss weniger Traglast verkraften neben eigenen Wege suchenden Xylophonen, Schifferklavieren und der omnipräsenten, komplexen Gitarrenarbeit. Gleichzeitig wurde der Sound an den richtigen Stellen klarer, Mills ist offensichtlich kein Fan von zu viel Durcheinander.
Das hört sich toll an, aber halt stets nur an bestimmten Stellen, in einigen Songs. Im Hause Johnson regiert der Musikkonservatismus weiter mit eiserner Faust, die Mills nur ein wenig zu öffnen mochte. Auf pazifischen Fanservice wie "Calm Down", songgewordenes Strandfeeling mit Twang und das schwächere "Costume Party", in dem Johnson croont wie zu früheren Homerecording-Zeiten, mag der Hawaiianer nicht verzichten. Das soll er zwar gar nicht, sondern auch diese Teile seines nach wie vor authentisch warmen, angenehmen Sounds öffnen und weiterentwickeln, aber eben genau dazu scheint er nicht in der Lage.
Im Titeltrack, gleiches gilt für "I Tend To Digress", zeigt Johnson in ewiger schwelgerischer Stimmung, dass er einen strengen Produzenten braucht, der seinen inneren bekifften Mark Kozelek an die Kandare nimmt. So wurde "Meet The Moonlight" nicht nur zum stärksten Johnson-Album seit einer ganzen Weile, sondern auch zu einem faszinierenden Panoptikum eines sensiblen, mit dem eigenen Werk verheirateten Singer-Songwriters, der den Sprung in die Wellen irgendwann schon noch wagen wird.
2 Kommentare mit 3 Antworten
One Step Ahead ist ein Mörder-Track, der Rest läuft ganz ok mit.
Kann ich so unterschreiben.
Definitiv einer seiner stärkeren Platten der letzten Jahre.
Schöne Review, trifft so ziemlich auf den Punkt. Und „One Step Ahead“ ist in der Tat richtig gut!
Wirklich ein guter Track, erinnert mich etwas an Broken Bells.
Der Broken Bells Verweis hat in Stuttgart einen Tag gerettet, vielen Dank dafür.
Gewaltig gutes Album! Keine Filler, der Surf-Opi at his best!