laut.de-Kritik
Eine Provokation für die Reggae-Szene.
Review von Philipp KauseJah Cure steht zwar für Reggae, die Musik auf seinem neuen Album "Royal Soldier" erinnert aber mehr an den Schlafzimmer-R'n'B der Jahrhundertwende, an D'Angelo, Maxwell und Joe, einer breiten Szene damals. Mya, ebenfalls angesagt in jener Zeit, tritt als Gast auf.
Der Bass rumpelt deutlicher als damals, wie ein Herzschlag. Das Herz schlägt mittelschnell, Jah Cure als königlicher Kämpfer am Mikro ist schließlich mit Marihuana herunter gebeamt. Zusammen mit dem Junior Gong beschwört er die Regierungschefs, das Kraut aus seiner Illegalität zu befreien. "Marijuana (ft. Damian Marley)" fällt alleine aufgrund von Marleys mitreißendem Sprachvortrag auf.
Laut Jah Cure richte sich das Album trotz des militärischen Titels an die Ladies. Ob man die Damenwelt in Jamaika heute mit drei Goldkettchen, Tierfell um den Hals und einer schief sitzenden Krone gemäß CD-Rückseite beeindruckt, ist zweitrangig. Jah Cure zielt auf den internationalen Markt. Bis "Telephone Love" schlagen sich die Songs ganz wunderbar, aber es wäre das erste Mal seit Seals "Kiss From A Rose" und Stevie Wonders "I Just Called To Say I Love You", dass männlicher R'n'B-Gesang weibliches Publikum auf dem europäischen Festland nachhaltig begeistern würde.
Textlich geht es zum Beispiel darum, dass man nicht mit dem Herzen eines Mädchens spielt, wenn es ein schönes Gesicht hat, "pretty face" reimt sich dabei auf "space". Dafür holt er die kanadische R'n'B-Sängerin Melanie Fiona und die haitianisch-multinationale Biologin, Sängerin und Pianistin Phylissia Ross ans Mikro. Die Texte schrappen dank dieser Wechselspiele gerade so an der Macho-Kultur der Goldkettchen vorbei und umgehen knapp den üblichen Fehler: die rein passive Gender-Rollenzuteilung für die Hetero-Frau.
Bubble-Beats, süße Harmonien, charakteristische Stimmen und kuschlig warme Atmosphäre, das funktioniert auf einem Reggae-Festival allenfalls als Rausschmeißer am späten Sonntagabend, wenn alle schon glücklich Party gemacht haben. In dieser Hinsicht ist "Royal Soldier" eine Provokation für die Reggae-Szene. Statt Roots Reggae-Energie dominiert cremig süßer Sound wie m Urban-Popsong "Life Is Real (feat. Popcaan & Padrino)".
Mit Beteiligung der Dancehall-Altmeister Yami Bolo (seit über 30 Jahren aktiv) und Capleton (seit den 90ern bekannt) gelingt Jah Cure dann noch ein richtig fetter Dancehall-Track zum Abschluss, auf dem sogar Junior Reid mitmacht, Sänger bei Black Uhuru ab dem 1986er Dub-Album "Brutal".
Reggae-Anklänge finden sich lediglich im Intro zu "Telephone Love", Dancehall-Spurenelemente in "Magic (feat. Tory Lanez)". Meistens referiert der "Royal Soldier" auf stetem Ruhepuls über glückliche Liebe. Ob Maxi Priest und Rihanna auf ihren angekündigten Reggae-Alben in eine ähnliche Soundkerbe schlagen, könnte für die Rezeption der Platte vielleicht noch interessant werden. Denn sollten die bekannten R'n'B-Reggae-Grenzgänger ein kleines Revival auslösen, würde Jah Cure davon vielleicht profitieren.
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