laut.de-Kritik
Zahmer Auftritt des 'Killer' und eine Lehrstunde für Brian May.
Review von Daniel StraubSein Spitzname ist "The Killer", und Jerry Lee Lewis hat in seiner Jugend einiges getan, um seinem Ruf als Enfant Terrible des Rock'n'Roll gerecht zu werden. Sex mit minderjährigen Verwandten, mehrfache Eheschließungen ohne vorhergehende Scheidungen, die üblichen Drogeneskapaden, einige in Flammen aufgegangene Flügel und nicht zuletzt seine zeitlos groovigen Tunes begründeten das skandalträchtige Image des Louisiana-Boys. Dreißig Jahre später gehört derlei längst zum kulturellen Allgemeingut, und Jerry Lee Lewis hat die Bühne provinzieller Kneipen mit der des Londoner Apollo Theater vertauscht, wo Tausende die Legende feiern.
An jenem Ort also möchte der Killer 1989 sein Comeback starten, wo er 1958, als die Heirat mit seiner 13-jährigen Cousine bekannt wurde, seinen tiefsten Fall erlebte. Die Zeichen sind verheißungsvoll, schließlich kommt in jenen Tagen ein Spielfilm in die Lichtspielhäuser, der sich dem skandalösen Leben von Lewis widmet. Doch während Dennis Quaid in "Great Balls Of Fire" Jerry Lee vor Saft und Kraft strotzend auf die Leinwand bringt, haftet dem Auftritt des echten Mr. Lewis ein gewisser Anachronismus an, der im schlimmsten Falle irritierende, im besten Falle ulkige Züge annimmt.
Da stehen neben Jerry Lee Lewis auch seine "Friends" mit auf der Bühne, als da wären: Van Morrison, Brian May von Queen, John Lodge von The Moody Blues, Dave Davies von The Kinks und Dave Edmunds. Ihnen kommt die Ehre zu, mit dem Meister eine Bühne zu teilen, ja mehr noch, mit ihm in einer Band zu spielen. Was aber als eine Art "Who is Who der Rockmusik"-Line-Up geplant war, entpuppt sich als Lachnummer allererster Güte.
Am Piano klimpert das Idol Jerry Lee Lewis seine tausendmal gehörten Tunes bis auf wenige Ausnahmen, ziemlich lustlos runter, und um ihn herum stehen Lodge, Davies und Co. wie kleine gelehrige Schulbuben. Die Rolle des Strebers fällt hierbei Brian May zu, der just in dem Moment, als er neben dem Meister mit großer Geste zum Solo ansetzen möchte, über das Kabel seiner Gitarre stolpert. Plop! Nix war's mit dem tollen Auftritt.
Dass Jerry Lee Lewis mit halb amüsiertem, halb sarkastischem Lächeln "Highschool Confidential" nochmals anspielt, um May seine tägliche Fingerakrobatik zu ermöglichen, lässt den Queen-Gitarristen wie einen dummen Sechstklässler aussehen, der sich zwar Mühe gibt; leider aber vergebens. Einzig Van Morrison macht im Duett mit Lewis eine gute Figur.
Die spannungsgeladene Atmosphäre zieht sich durch die gesamten 60 Minuten Spielzeit und erfährt nur in den seltenen Momenten eine Abmilderung, in denen Lewis das Publikum um sich herum zu vergessen scheint und mit seinem Instrument zu einer Einheit verschmilzt. Da blitzt dann etwas von jener Energie auf, mit der er dreißig Jahre zuvor die Konzerthallen reihenweise in Brand steckte. Leider bleibt es bei einigen kurzen Augenblicken. Nicht gerade viel bei einer Spielzeit von 60 Minuten.
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