laut.de-Kritik
Ein letzter, erhabener Punkrock-Gruß aus dem Jenseits.
Review von Kai ButterweckFast auf den Tag genau 11 Jahre ist es her, da die Nachricht über den Tod des Ramones-Sängers Joey Ramone die Musikwelt erschütterte. Nun öffnet Bruder Mickey Leigh abermals die Erbschatulle des legendären Frontmanns und präsentiert unter fleißiger Mithilfe von illustren Gastmusikern (Joan Jett, Little Steven Van Zandt, Richie Ramone, Bun E. Carlos, Holly Beth Vincent, u.a.) das zweite posthume Soloalbum nach "Don't Worry About Me" aus dem Jahr 2002.
Gleich zu Beginn erklingen in dieser unnachahmlichen und minimalistischen Art und Weise die beiden Dinge, die dem Sänger zeit seines Lebens am meisten bedeuteten: Rock'n'Roll ("Rock'n'Roll Is The Answer") und seine Heimat New York ("New York City"). Geradlinig und mit dem unüberhörbaren Hang zu nostalgischen Klängen jenseits des digitalen Zeitalters huldigen die letzten musikalischen Überbleibsel einer beispiellosen Karriere all den Genres, die im doch eher fest verankerten Grundsound der Ramones nur vereinzelt Verwendung fanden.
So schnürt einem die halbakustische Ballade "Waiting For That Railroad" fast schon die Kehle zu, während das luftige "Party Line" zur 60s-Sommer-Zeitreise an kalifornische Strände einlädt. Fast schon jazzig geht es auf der Neuinterpretation von "Merry Christmas" zu, wenn Joeys näselndes Organ Friede, Freude und Zweckoptimismus predigt. Und auch das schleppende "Cabin Fever", ein Song, der gut und gerne eine komplette Arena in ihren Grundfesten erschüttern würde, ist ein Beleg dafür, dass der schlaksige Songwriter ein schier unerschöpfliches kreatives Potential sein eigen nannte.
Natürlich kommt auch die Basis seines Erbes nicht zu kurz, wenn sich Songs wie "I Couldn't Sleep", "21st Century Girl" oder "There's Got To Be More To Life" nahtlos in die Reihe großer Midtempo-Klassiker der Ramones einreihen. Ein großes Dankeschön geht an Joeys Bruder, der all diese zeitlosen Zwei- und Dreiminüter nicht von wahllos gerade zur Verfügung stehenden Studiomusikern hat einspielen lassen, sondern mit den oben erwähnten langjährigen Weggefährten von Joey genau die richtigen Leute zusammentrommelte, die den markanten Vocals einen authentischen Sound-Background zur Seite stellten.
"... Ya Know?" ist ein letzter Punkrock-Gruß aus dem Jenseits, der für all die Millionen immer noch leidenden Lederjacken-Jüngern dieser Welt mehr als nur standardisierte Trauerarbeit leisten wird. Das Album ist glücklicherweise kein durch pure Geldgier motiviertes Leichenfledder-Produkt eines klammen Verwandten, sondern ein in sich stimmiges "Up-to-date-Schaffen", das Nostalgiker und Liebhaber zeitgenössischer Rock-Klänge gleichermaßen in ihren Bann ziehen wird.
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