laut.de-Kritik
Rudern im all zu seichten Wolkenmeer.
Review von Hardy Funk"Dieses Lied spricht mir momentan echt aus dem Herzen", "absolut meine Gefühlslage im Moment", "einfach so wie mir's geht", "passt grade perfekt". Die Fan-Kommentare auf YouTube verraten das gar nicht so geheime Geheimrezept von Johannes Oerding: den Menschen aus der Seele sprechen. Dann klappts auch mit dem Radio und bald schon mit dem ganz großen Erfolg.
Dazu braucht es nicht all zu viel: Ehrlich muss es sein, leicht zu verstehen, möglichst gewöhnlich, aber auch ein bisschen knackig. "Einfach Nur Weg", Vorab-Single zu Oerdings drittem Album, macht da schon viel richtig: Akustik-Gitarre, bisschen Percussion hier, bisschen Beat da, Synthie-Flächen und E-Gitarren-Gedengel im Refrain. Dazu einen recht gewöhnlichen, immer wieder Weltschmerz vortäuschenden Gesang. Die Kollegen Bendzko oder Lindenberg-Clueso wird der Wahl-Hamburger trotzdem nicht vom deutschen Singer/Songwriter-Thron stoßen. Um einem "Nur Noch Kurz Die Welt Retten" oder "Cello" das Wasser zu reichen, klingt der Song am Ende doch zu glatt. Und dabei waren die ja schon glatt genug.
Auch die übrigen elf Lieder der Platte wagen wenig. Johannes Oerding steht nach wie vor für gepflegte Langeweile in erwartbarer Abwechslung. "Wo Wir Sind" machts dir dank peppigem Klavier etwas flotter, der Titelsong "Für Immer Ab Jetzt" gibt dir mit "Mmh"-Chören die extra Portion Herzschmerz, "Sommer" bringt dir mit markantem Bass die gute Laune ins Haus und bei "Nicht Genug" darfst du dich dank AC/DC-Gitarre ein bisschen rebellisch fühlen. "Bungee-Jump für die Seele", nennt der Pressetext das, und man fragt sich was schlimmer ist: Die Musik oder doch das PR-Gefasel vom Extremsport.
Johannes Oerding schreibt seine eigenen Texte, kann singen und spielt selbst Gitarre. Seit über zehn Jahren tingelt er durch die Berliner Republik, vom Saturn-Markt zum Vorprogramm von Simply Red zum ZDF-Morgenmagazin. Aber all das handwerkliche Können und alle Erfahrung on the road können eins nicht verbergen: Oerding bleibt ein Industrieprodukt durch und durch. Ob das an den Produzenten liegt, die seine klischeehaften Songs in maximal radiotaugliche Sounds kleiden, oder ob er selbst die Weichspül-Maximen schon verinnerlicht hat: Die Songs auf "Für Immer Ab Jetzt" vermeiden fast schon hysterisch jede Art von Irritation.
Alles klingt so wattig und seicht wie das Wolkenmeer auf dem Albumcover. Obwohl: Dort finden sich ja sogar ein paar Schlechtwetterwolken. Die Lieder auf "Für Immer Ab Jetzt" sind aber allesamt zu platt, um wolkenbruchartige Stimmungen hervorzurufen. So zuverlässig sich der große Erfolg damit auch einstellen mag, so schnell ist man auch wieder vergessen. Und wenn man seinen Fans noch so sehr aus der Seele gesprochen hat.
2 Kommentare
Was der kleine Johannes beim Selbst-Casting gelernt hat, vergisst der Johannes Oerding nimmer mehr: zunächst erst mal eine vernünftige Chord-Progression und mit dezenten Harmonien. Das ganze im Schnitt unter 88 bpm, damit's gewaltfrei beleibt, und immer schön in der richtigen Tonlage bleiben damit das Stimmchen nicht eiert. Dabei hat Oerding für mich eine Unauthentizität, die ich kaum erklären kann, irgendwie gekünstelt halt. Veileicht liegt's an den Kompositionen, denn wo er musikalischen Einheitsbrei serviert versucht er's mit der Performance stets zu angestrengt in eine Emotionslage zu trimmen die musikalsich überhaupt nicht vermittelt wird, Drama Baby! Und beim Gesang ist Oerdings Ausdrucksbandbreite leider sehr beschränkt, Hintergründiglkeiten sucht man hier vergebens, und wenn's traurig sein soll ist halt traurig, mit jeder Silbe. Das nervt irgendwann und verleitet zum Schubladendenken, sprich zum konsumgerechten Ettiketieren, kein Industrieprodukt vieleicht, aber eine ebenbürdige Kopie!
@volker putt: guter kommentar!