laut.de-Kritik
Röhrende Effektschleifen, D'n'B-Attacken und, äh, Hip Hop.
Review von Michael SchuhSechs Studioalben veröffentlichte John Frusciante innerhalb von nur zwei Jahren, nebenbei spielte er noch Gitarre bei den Red Hot Chili Peppers, mit denen 2006 praktisch zeitgleich ein Doppelalbum entstand. Man muss weit zurück gehen, um eine ähnlich kreative Produktivität in der Historie des Rock aufzuspüren, vielleicht bis zu den Tagen von James Brown und Frank Zappa.
2009 dann der Cut: Frusciante verlässt seine Chili Peppers ein zweites Mal. Der von vielen als neuzeitlicher Gitarren-Magier Gefeierte untermauert seinen Freak-Status mit der esoterischen Begründung, eine weitere Zusammenarbeit laufe seinem Wesen zuwider. Er müsse stattdessen eigenen Interessen folgen, denn Kunst "hatte für mich nie etwas mit Verpflichtung zu tun". Wer mochte, konnte hier durchaus Kritik am akribisch durchgeplanten Berufsbild eines Millionen-Dollar-Rockkonzerns herauslesen.
"Letur-Lefr" ist der EP-Vorbote des für Herbst angekündigten Studioalbums "PBX Funicular Intaglio Zone"; die Titel allein sprechen Bände über die fortschreitende Exklusivität, die Frusciante für seine künstlerischen Lebenswelten beansprucht. Leider gestaltet sich auch der Zugang zu den musikalischen Ergebnissen relativ exklusiv.
Mit Frusciantes bisherigen Werken korreliert "Letur-Lefr" nur noch rudimentär, stattdessen stürzt sich der soundbesessene Kalifornier in bislang nicht gekannter Geradlinigkeit auf Keyboards, Drumcomputer, Sampler, Effektgeräte und, äh, Hip Hop. Ein radikaler Umbruch, der zunächst wenig Sinn zu ergeben scheint. Doch nach und nach setzt man die für Frusciante typischen Gitarrenmelodien, die er hier eisern auf Analog-Synthies einspielt, puzzleartig zusammen, um sich immer wieder zu fragen, warum er sie nicht gleich mit Gitarre eingespielt hat.
"In Your Eyes" ähnelt soundtechnisch durchaus seinen Minimalelectro-Homerecordings auf "To Record Only Water For Ten Days" von 2001, nur wird man bereits hier Zeuge von Frusciantes neuer bipolarer Songwritingstörung, die es ihm offenbar unmöglich macht, gute Ideen von schlechten zu trennen.
Zu letzterer Kategorie gehört die Annahme, einen Song pausenlos mit absurd abrupten Breaks zu versehen, seien es röhrende Effektschleifen oder unausgegorene Drum'n'Bass-Attacken, die jegliche im Ansatz entstandene Atmosphäre zerstören. Ist das noch derselbe Musiker, der für seine zwar verzwirbelten, aber doch stets feingliedrig-weiten Harmoniebögen geliebt wird?
"Yo", meldet sich plötzlich der RZA in "909 Day" ungefragt zu Wort, bevor er für einen wunderbar zerbrechlichen melancholischen Keyboardzauber schweigt, der von einem dieser genialen Frusciante-Gesangspassagen vollendet wird. Leider ist nach gerade mal zwei Minuten Schluss.
Das vorab auf Youtube erschienene Instrumental "Glowe" klingt exakt so, als hätte Frusciante alle fünf Sekunden auf einen neuen Rhythmusknopf seines frisch erworbenen Drumcomputers gedrückt. Ein Tiefpunkt. Allmählich beginnt man zu verstehen, wie ernst es Frusciante mit der Feststellung ist, er habe jegliches Interesse an traditionellem Songwriting verloren. Er will mit diesen Songs erkennbar voran kommen, nur sein Ziel bleibt nebulös verschwommen.
"FM" beginnt mit Old School-Beats, einem weiblichen Operngesang, bevor RZA, Kinetic 9 und Rugged Monk das Zepter übernehmen. Die einsetzenden, sphärischen Synthie-Harmonien schmiegen sich nicht unsanft an den Vortrag der Rapper, es ist nur eben leider überhaupt nicht das, was man nach drei Jahren von einem John Frusciante hören mag.
Auch am EP-Closer "In Your Light" war der Wu Tang-Boss beteiligt, glücklicherweise über weite Teile stillschweigend, was diesen eher als Frusciante-Track auszeichnet, der in seinem pathetischen Weltschmerz fast an dessen überirdisches "Will To Death"-Album heranreicht (abzüglich des hier verwendeten Soundirrsinns).
Das wars. Knapp 16 Minuten neue Musik eines zweifellos hochgradig talentierten Künstlers, der bereits 2007 für sich entschlossen hat, fortan nur noch elektronische Musik zu produzieren, wie er in einer Art Regierungsantrittserklärung auf seiner Homepage erklärt. Denn "that's what I was born to do", wie er in "909 Day" vor sich hin murmelt.
Hoffnung besteht dennoch, denn laut Frusciante soll das kommende Album "völlig anders klingen" als diese EP.
39 Kommentare
Ich mach mal den Anfang:
Für mich klingt das wie die Experimentierphase eines reichen Kindes mit 'nem fett equippten Elektrobaukasten. Wäre vom Sound in den Neunzigern groß gewesen. Klingt heute - eben nach Experiment.
Ich weiche bei einem Track von der Rezension ab: Glowe ist für mich ein Highlight. Gute-Laune-Song.
Und der Anfang von In Your Eyes - Erasure, anyone?
Fazit: Album-Teaser. Erfüllt seinen Zweck.
Banause du Mr. Shoe!
Der Mann kann einfach keine schlechte Musik machen, egal was er macht. Bin jedenfalls froh, dass er bei den Peppers raus ist!
4/5 Punkten!
Hmm, was hat er nun da wieder fabriziert.. Man kann ihn nur gern haben!
Scheiß Doppelpostings!
Das wirklich schlimme daran ist, dass mir die Doppelmoppel-Witzchen außgegangen sind
Weils jetzt schon ein paar mal erwähnt wurde: Wo genau sollen die unpassenden Breaks sein? In meine Ohren fließen die Tracks nämlich wie Öl. Moment, das war etwas ekelerregend, aber ihr wisst was ich meine.
Ich hasse es wenn so genannte Kritiker das für eine unbestimmte Masse gebrauchte Wort "man" benutzen - wie in "leider überhaupt nicht das, was man nach drei Jahren von einem John Frusciante hören mag" - wenn sie doch eigentlich nur sich selbst meinen. Das ist entweder feige oder arrogant. Dann noch dieser enorm clever gedachte Vergleich mit einer bipolaren Störung...Menschen mit bipolarer Störung haben kein Problem damit gut von schlecht zu trennen. Auch diese Aussage ist mindestens ignorant. Zum Glück ist für die allermeisten Hörer und für John Frusciante selbst dieser miserable Artikel absolut bedeutungslos. Die EP ist das Gegenteil.