laut.de-Kritik

Sakraler Synthpop-Sog aus der Gothic-Church.

Review von

John Maus, Philosoph und Musiker, ist wohl einer der kontroversesten Künstler unserer Zeit: Die Intensität seines schweren Retro-Synth-Sounds und der schweißgetränkten Live-Shows samt seiner dunklen messianischen Aura evozieren Vergleiche zu Joy Divisions Ian Curtis und Nick Cave. Nachdem er aber im Januar 2021 neben dem New-Weird-America-Act Ariel Pink bei den Pro-Trump-Protesten gesichtet wurde, die zur Stürmung des Kapitols führten, verstörte er seine Fans mehr als sein düsterer Sound und seine exzentrische Persönlichkeit es je vermochten.

Maus distanzierte sich später deutlich von Trump und der Teilnahme an der Kundgebung, in die er zufällig geraten sei und betonte, wovon jeder bis dahin ausgegangen ist, dass er nämlich politisch "left of left of left of left" sei. Zudem twitterte der bekennende Katholik ein Zitat aus der Enzyklika "Mit brennender Sorge" von Papst Pius XI. aus dem Jahr 1937, in der dieser die Politik und Ideologie des Nationalsozialismus verurteilt. Komplexe und konträre Aspekte umwehen den geheimnisvollen Maus also, dessen poppige Synth-Pop-Songs nicht weniger enigmatisch, aber oft eingängig daherkommen.

Auf seinem mittlerweile siebten Alben "Later Than You Think", das nach einer schweren Krise mit Trauerfällen in der Familie entstand, ist Maus noch radikaler in seiner Kunst und der Verschmelzung von Glaube, Gesang und Gebet. Er integriert Elemente alter Kompositionen in seine Vintage-Synth-Melodien und zitiert damit Bach oder Händel. Gregorianische Gesänge und modulare Synthesizer treffen hier aufeinander und verbinden Opulentes mit Minimalem. Wir hören kaskadenartige Synthwirbel in "Came & Got" und chaotische disruptive Momente in "Losing Your Mind" mit einem verstörenden Phasing-Effekt mitten im Song.

Minimalismus und mittelalterliche Orgelsounds kombiniert er in "I Hate Antichrist" und diese Verbindung von Heiligem und Technischem wird am krassesten im sakralen wie spukhaften "Theotokos" (griechischer Begriff, der "Gottesgebärerin" bedeutet und ein Ehrentitel für Maria, die Mutter Jesu, ist) deutlich, das wie eine VHS-Aufnahme einer Liturgie in einem Exorzismus-Film klingt.

Während andere Synth-Gothic-Acts mit den Themen Religion und Satanismus spierisch umgehen wie die im kalten Goth-Coldwave beheimateten Molchat Doma oder Molly Nilson, ist Maus radikal in seiner Mission - Ironie und Zynismus werden mit aufgrund seiner Intensität und Integrität in Sachen Glauben auf "Later Than You Think" ausgelöscht. Der Albumtitel selbst ist zudem eine Referenz an das Memento Mori, das orthodoxe Mönche einst in Totenköpfe ritzten: "Es ist später, als Ihr denkt. Beeilt Euch daher, das Werk Gottes zu tun."

Trackliste

  1. 1. Because We Built It
  2. 2. Disappears
  3. 3. Reconstruct Your Life
  4. 4. Shout
  5. 5. Came & Got
  6. 6. I Hate Antichrist
  7. 7. Theotokos
  8. 8. Let The Time Fly
  9. 9. Out Of Time
  10. 10. Tous Les Gens Qui Sont Ici Sont D'ici
  11. 11. Tonight
  12. 12. Let Me Through
  13. 13. Water
  14. 14. Pick Me Up
  15. 15. Losing Your Mind
  16. 16. Adorabo

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2 Kommentare

  • Vor einer Stunde

    dafür, genau wie für molchat doma oder arabot, liebe ich euch, laut.de :kiss: :kiss: :kiss: :kiss: :kiss: ♥ ♥ ♥ ♥

    "i hate the antichrist" ist literarisch allerdings ein sehr lustiges meme der altright froschfreunde aus dem internet und der antichrist ist irgendwie alles. wef/klaus schwab (antichrist), pornoindustire (antichrist), lgbtq bewegung (antichrist), covid impfung (antichrist), frauenrechte (antichrist), eppstein (antichrist), AOC (antichrist), bill gates (antichrist), hollywood filme mit ethnischen minderheiten und schwulen (antichrist) usw auf alle genanten themen und noch viel mehr wird mit "i hate the antichrist" und im besten fall noch einem lustigen frosch oder diesem psychotischen trollface mit gewehr reagiert

  • Gerade eben

    John Maus hat einen eigenen Klangkosmos zwischen Neoklassik und Elektronik/Wave geschaffen.
    Diesen Weg verfolgt er bereits seit seinem ersten Album 2006.
    Damals noch eher skizzenhafter, mittlerweile songorientierter.
    Mein Einstieg war „We Must Become the Pitiless Censors of Ourselves“. Auch live unfassbar intensiv. Ein Kampf gegen die eigenen Dämonen. Aber irgendwie auf positive mitreißende Art.
    Dass er nur zufällig beim Sturm des Kapitols dabei war, nehme ich ihm nicht ab. Denke eher, dass er sich von Ariel Pink mitziehen ließ. In Interviews nach dem Kapitolsturm hat sich Pink weinerlich und als Opfer präsentiert. Maus ist seinen musikalischen Weg unbeirrbar weitergegangen, selbst nach dem tragischen Tod seines Bruders auf der Tour 2018 der ihn am Bass begleitete.
    Ich schätze ihn nicht berechnend ein. Eher manisch. In Interviews kann er keine Sekunde aufhören, nervös mit den Beinen zu wackeln.

    @Scroto …
    "i hate the antichrist" könnte tatsächlich auf die altright Froschfreunde hinweisen.
    Denke aber eher auf ironische Art (hoffe ich zumindest).
    Im Video: https://youtu.be/acWLD_SHtcQ?si=TK4XORog-j…
    zerstören sich alle Gruppen untereinander. Influencer, Tech-Mogule, Politiker, Generäle, Bischöfe und Maus als Musiker sich selbst.

    Von mir gehört 5/5