laut.de-Kritik

Ein Boombap gewordener Buddy-Podcast.

Review von

Obwohl die beiden Künstler nun schon einige Male gemeinsam auf starken Tracks zu hören waren, wirkt die Kombination Logic und Juicy J auf den ersten Blick noch immer etwas überraschend. Auf der einen Seite der sozialkritische Künstler aus Maryland mit einer Vorliebe für jazzige Beats und Technikgeflexe, dessen größter Hit die Nummer der amerikanischen National Suicide Prevention Lifeline im Titel trägt. Auf der anderen Seite die 15 Jahre ältere Memphis-Legende der Three 6 Mafia, in den 90ern Vorreiter für modernen Trap, der in seinen Songs erst verfeindete Gangster massakriert, um anschließend dein Jahresgehalt im Stripclub zu verballern.

Diese beiden auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Artists wagen nun den Schritt einer kompletten LP. Und wer hätte es gedacht: It's a match. Das hat mehrere Gründe. Der erste und wichtigste liegt in der Konzeption der Platte. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die Stärken der Musiker. Als Rapper findet sich Logic nur auf knapp einem Drittel der Platte wieder, hat dafür aber alle Songs produziert. Daraus entstand auch die Idee von "Live And In Color".

Logic wollte unbedingt mal ein komplettes Album für einen Rapper produzieren und da bot sich sein Homie an. Er fragte ihn eher aus Spaß, aber Juicy meinte es verdammt ernst, wie die beiden auf einem der als "Discussion" betitelten Skits erzählen. Doch anstatt aufgrund von Kompromissen zu belanglos zu werden, wählten sie einen interessanten Ansatz: Juicy nahm alle Songs auf Trap-Beats auf und Logic schnappte sich die Vocalspuren und zog sie einmal durch den Boombap-Topf. So bleiben beide auf ihrem gewohnten Terrain und spielen ihre Stärken aus.

Schon der fast komplett von Juicy J selbst produzierte Solovorgänger "Ravenite Social Club" experimentierte mit Jazz-Elementen, klingt aber eher nach Robert Glasper und Kamasi Washington als nach J Dilla und A Tribe Called Quest. Nun erobert der Rapper auch noch den Style, zu dem er Ende der 90er Jahre eine starke Antithese gesetzt und damit den Untergrund mitdefiniert hat. Glaubt man Juicy J, war das schon immer sein Wunsch, doch erst jetzt habe er den passenden Partner dafür gefunden. Logic weiß diese Gelegenheit zu nutzen und schneidert warm-soulige Instrumentals auf diesen stilprägenden Flow, als hätte es die düstere Memphis-Trap-Ästhetik nie gegeben.

Das Album beginnt direkt mit dem Titeltrack, in dem beide erstmal klarstellen, wer sie sind und worum es hier geht. Als zwei echte Homies haben sie sich zu den erwähnten Discussions getroffen, in denen viel von der Entstehung der Songs die Rede ist. Es geht auch um die Vorliebe des Hip-Hop für Statussymbole, wichtige Karriere-Tipps ("keep your nose clean") und sogar Sex. Bei dem Thema fangen die beiden Familienväter an zu kichern wie zwei kleine Jungs und es wirkt trotzdem nicht unangenehm, sondern einfach nur ehrlich und bodenständig. Hier treffen zwei Typen im mehr oder weniger fortgeschrittenen Alter aufeinander, die schon alles in ihrem Leben durchgemacht haben und sich nicht mehr hinter vorgehaltenen Images oder fragilen männlichen Egos verstecken müssen – es wirkt teilweise fast herzerwärmend.

In diesem Musik gewordenen Buddy-Podcast haben Externe natürlich wenig Platz, lediglich zwei Gäste sind mit dabei. Juicys leiblicher Bruder gibt sich zweimal die Ehre und meistert die Herausforderung Boombap auf "Get Right" ebenfalls mit Bravour. Die zweite Zusammenarbeit "20 Years Later" gehört zu den Highlights der Platte, auch wenn die eigene Legacy und der OG-Status hier ausnahmsweise auf zitternden Trap-Hi-Hats ausgewertet wird, ohne dass der Song zu stark aus dem Konzept fällt.

Das Gleiche gilt für das Feature mit Wiz Khalifa, der Juicy J Anfang der 10er Jahre zu seiner Taylor-Gang geholt und ihm mit der Veröffentlichung des Hits "Bandz To Make A Dance" und des Albums "Stay Trippy" einen zweiten Frühling beschert hatte. Klar, dass so ein wichtiger Wegbegleiter bei diesem Konzept nicht fehlen darf. "Black Rothstein" spielt mit einem vibig-entspannten Westcoast-Sound, wie ihn etwa Larry June, Curren$y oder Harry Fraud aktuell bespielen.

Der Rest der Platte hält es nahezu komplett straight Boombap und trotzdem wird es nie langweilig. Das macht den Sound so interessant: Einen einigermaßen annehmbaren 90s-Beat produzieren und dann annehmbar darauf rappen kann heutzutage jeder. Doch Logic verliert sich in viel Liebe fürs Detail und bricht auch mal mit der bewährten Golden-Era-Formel, wo es angebracht ist. Juicy J hingegen überzeugt auch 30 Jahre nach "Mystic Stylez" mit dieser besonderen Delivery, die etwa auch einen Snoop Dogg auszeichnet. Deshalb dreht sich auch "Live And In Color" trotz der Bromance der beiden Protagonisten noch viel um die großen Lieblingsthemen des Rappers: Money, Guns, Bitches und Weed. Aber er könnte mit seinem einzigartigen Flow auch eine Bedienungsanleitung vorlesen, so lange er dazu einen Produzenten wie Logic um sich hat, der damit umzugehen weiß.

Trackliste

  1. 1. Live And In Color
  2. 2. Get Right feat. Project Pat
  3. 3. Discussion 1
  4. 4. Big Bag Talk
  5. 5. Discussion 2
  6. 6. The Problem
  7. 7. Shame
  8. 8. Discussion 3
  9. 9. We Live
  10. 10. Discussion 4
  11. 11. Kill For
  12. 12. Discussion 5
  13. 13. And Did
  14. 14. Flowers
  15. 15. Discussions 6
  16. 16. 20 Years Later feat. Project Pat
  17. 17. Fame
  18. 18. Discussion 7
  19. 19. Black Rothstein feat. Wiz Khalifa
  20. 20. I Need A Hug
  21. 21. Discussion 8

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1 Kommentar

  • Gerade eben

    „Live And In Color“ klingt, als hätte ein 2013er Tumblr-User mit Weed-Vorrat und Logic-Fanpage endlich seinen Traum wahr gemacht – und Juicy J war zufällig im Studio nebenan.

    Das Album ist wie eine wilde Mischung aus Altkunststoff und Nostalgie: Logic bringt seine typischen „Ich bin underrated UND overrated“-Bars, während Juicy J reinkommt wie der Onkel auf der Familienfeier, der ständig „Trippy Mane!“ ruft und plötzlich 808s aus der Bluetooth-Box dröhnen lässt.

    Mal klingt’s nach einem Throwback zum Mixtape-Zeitalter, dann wieder nach einem Track, der im Club funktioniert, aber nur wenn alle gleichzeitig betrunken und melancholisch sind.