laut.de-Kritik

Anklagend und empowernd zugleich.

Review von

Zunächst einmal muss etwas korrigiert werden. Die Geschichte hat die Kritikpunkte, die ich noch bei "40 Acres N Sum Mula" äußerte, auf die härteste und unentschuldbarste Weise Lügen gestraft. Ein gutes halbes Jahr, nachdem Juju Rogers' zweites Album erschien, wurde der weißen Mehrheitsgesellschaft, zu der auch ich gehöre, mit dem Mord an George Floyd wieder einmal schmerzlich aufgezeigt, dass Rassismus noch längst kein Thema von gestern ist und dass unser gesellschaftliches System - entgegen meiner damaligen Meinung - doch an einer ganzen Menge Scheiße Schuld ist, die People of Color jeden Tag begegnet. Die eigene Ignoranz kann manchmal ganz schön weh tun.

Juju Rogers mahnende Worte klingen im Nachgang daher fast schon prophetisch. Umso mehr ein Grund, die neue EP "Buffalo Soldier" mit noch offeneren Ohren zu hören. Und das lohnt sich.

Musikalisch sowieso, aber das gilt beim Wahlberliner ja mittlerweile als Grundvoraussetzung. Sanfte, warme und organische Kompositionen schmiegen sich an den Gehörgang. Weiche Synthie-Ebenen, bauchige Bässe und hölzerne Snares umspielen sich auf der gesamten EP, ohne dabei monoton zu wirken. Einzig "Sela", das mit einem melancholisch gespielten Klavier und zaghafter E-Gitarre den Opener gibt, und "Samson", das etwas roher und wilder daherkommt, fallen hierbei aus der Reihe und verschaffen der EP ein rundes und gleichzeitig abwechslungsreiches Hörerlebnis.

Wie gewohnt legt sich Jujus samtweiche Stimme hervorragend über Bass, Snare und Snyths. Anders ist auf "Buffalo Soldier", dass sich der gebürtige Schweinfurter nicht nur im Rappen, sondern sondern auch im Singen übt. Das gelingt ihm hervorragend. Kraftvoll weiß er, seine Stimme einzusetzen, wie er bereits in "Sela" unter Beweis stellt. Seine Art zu singen lässt vermuten, dass Juju Rogers seine Stimme mit Reggae, Soul und Neo-Soul geschult hat. Der verspielte Singsang-Rhythmus im Opener, der in langgezogene, kehlige Silben übergeht, stellt sofort Intimität her und fühlt sich an, wie für die Ewigkeit gemacht.

Auch "Minneapolis" bekennt sich zu den musikalischen Wurzeln in Afrika und der Karibik. Doch man sollte sich von der wohligen musikalischen Stimmung nicht täuschen lassen. Juju ist nicht nach kuscheln zumute. "There's a fire in Minneapolis - let it burn / let the winds of change spread that shit worldwide." Gemeinsam mit Produzent DAO und dem Chicagoer Rapper und Free Nation-Mitglied Mick Jenkins verarbeitet Rogers seine eigenen Eindrücke der Aufarbeitung der Ereignisse nach George Floyds Mord und den sich daran anschließenden Protestbewegungen. "She told me that it's not time to cry, but to look in the sky / that's where molotovs fly." Die Zeit des passiven Ertragens ist definitiv vorbei. In Anbetracht des Ukraine-Kriegs erscheinen auch diese Zeilen, die bereits im Januar als Single-Auskopplung erschienen, düster prophetisch.

"Buffalo Soldier" ist empowernd und anklagend zugleich. Die sechs Songs starke EP ist gespickt mit Verweisen auf die afroamerikanische Kultur und deren Wurzeln, zu der sich Rogers als Kind eines US-Amerikaners zugehörig fühlt. Die Namen und Anspielungen, die er in allen sechs Songs einfließen lässt, ermutigen dazu, sich eingehender mit der Geschichte und den Held*innen Schwarzer Kultur zu beschäftigen. Da ist zum Beispiel John Africa, der als Mitgründer von "Move" gilt, einer Schwarzen Hippie-Bewegung, die in den Siebziger und Achtziger Jahren wiederholt durch die Polizei schikaniert wurde, was schließlich darin mündete, dass die Polizei eine Bombe auf das Haus der Bewegung warf, wodurch nicht nur der gesamte Wohnblock in Brand geriet, sondern John Africa und zehn weitere Menschen starben.

Und natürlich ist da auch der "Buffalo Soldier", mit dem auch Reggae-Ikone Bob Marley bereits auf die afroamerikanischen Soldaten verwies, die im amerikanischen Bürgerkrieg gegen die Sklaverei kämpften. Hier manifestiert sich seine eigene Rolle in diesem sich ständig wiederholenden Kampf gegen die Unterdrückung bestimmter Menschengruppen. "Silence is violence / if you don't speak you comply with them" - "Ain't nobody but your damn self is gonna free you!"

Auch für den krönenden Abschluss seiner EP wählt Rogers aufmunternde, ermutigende Worte an seine Mitmenschen, die er gemeinsam mit Reggae-Größe Jesse Royal in die Welt trägt: "It is time to decolonize you mind / body and your soul / what you've been told - leave it behind" - "First they love you, then they hate you, then they love you again / don't worry 'bout it 'cause your love is within."

Kurzum: "Buffalo Soldier" ist ein rundum gelungenes Stück Musik mit starken Features, die Juju Rogers hervorragend ergänzen. Das alles ist musikalische großartig umgesetzt und nder Rapper trägt die brennende thematische Aktualität versiert vor. Sein gesanglicher Vorstoß wirkt alles andere als zaghaft und erweckt Lust, "Buffalo Soldier" auch auf Albumlänge zu hören.

Trackliste

  1. 1. Sela
  2. 2. Minneapolis (Feat. Mick Jenkins & DAO)
  3. 3. Long Live John Africa
  4. 4. Buffalo Soldier
  5. 5. Samson
  6. 6. Royalty (Feat. Jesse Royal)

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