laut.de-Kritik
Folk mit tüchtigen Elektrobeats aus Berlin.
Review von Jasmin LützDie Musikpresse tobt. Ein neues Wunder aus der Großstadt bahnt sich seinen Weg. Mit elektronischen Klängen leitet Justine Electra ihr "Softrock"-Debüt ein, bevor Gitarre und klare Stimme "Fancy Robots" ungewöhnlichen Blues einhauchen. Justine wohnt in Berlin und kombiniert Folk-Geklage mit tüchtigen Elektrobeats. Melodien, die das Leben schreibt ("My Best Friend"), stehen neben der Wummer-Technik ganz klar im Vordergrund.
Auf "Softrock" erzählt die gebürtige Australierin aus ihrem lebhaften Hippie-Nähkästchen und komponiert daraus dreizehn Geschichten mit lauter Höhen und Tiefen. "Killalady" ist mein persönlicher Hit und groovt sich mit wunderbaren Background-Stimmen in die R'n'B-Top Ten. Als Vorlage galt hier wohl u.a. die gescheiterte Ehe von Whitney Houston. Die Familienhymne "Mom + Dad + Me + Mom" (Justine hatte neben ihrer leiblichen Mutter auch eine Stiefmutter), mit dem imaginären Brian Wilson am Klavier, schrieb sie im zarten Alter von acht Jahren.
Das ist Lofi, das ist Pop, Rock, Soul und alles irgendwie leicht schräg, aber ACHTUNG, man muss sich nicht gleich die Haare raufen und die Zunge raushängen lassen. Rebellisch und auch mal politisch im Soldaten-Gang marschiert Justine in zurückhaltender Unter-der-Gürtellinie-Rocker-Pose durch verkorkste amerikanische Präsidentschaften ("President"). Oder tappst ein wenig verspielt mit Kinder-Geklimper und Niedlichkeits-Bonus in den "Calimba Song", wo sie sich mit der Antifolk-Szene harmonisch vereint.
Fast bis zur Unkenntlichkeit verpackt schlängelt sich die Coverversion "Autumn Leaves" von Nat King Cole durch die verblüffende Mixtur. Mit Samples und veränderter Melodie, auf dem ersten Ohr kaum zu erkennen, dennoch unvergleichlich gut, wie einst "Satisfaction" von Cat Power. Schräge Verzerrer nehmen das Goldkehlchen beim "Sandman" gewaltsam in die Mangel, bevor sich der Lückenfüller "Starlights" mit der letzten Melodie "Defiant Proud" geschmeidig verabschiedet und der Wahl-Berlinerin eine große Zukunft vorhersagt. Europaweit.
Schließlich haben sich ihre durchgedrehten Rockkompositionen auch schon auf der Insel verbreitet. Die Künstlerin selber betrachtet ihre Songs als gefühlvolle Kommunikationserreger, die die Mädchen ihren Jungs vorspielen sollten, und nach denen alles offen ausgesprochen wird.