laut.de-Kritik

Revuegirls auf Koks und wuppende Bässe.

Review von

Wie schön, dass man sich in unsicheren Zeiten trotzdem auf drei oder vier Konstanten verlassen kann. Eine davon bildet der Umstand, dass, was man bei Big Dada aus dem Hut zieht, Beachtung verdient und hoch gesteckte Erwartungen selten enttäuscht. Mit Kail präsentiert Ninja Tunes' Kopfnicker-Abteilung einen Herren, der seine Wurzeln tief in den ehrwürdigen Boden des Project Blowed krallt.

Ach, begegneten einem nur mehr MCs deutscher Sprache, die zu rappen vermögen wie dieser Mann! Öden Einheitsbrei sucht vergebens, wer sich von Kail "True Hollywood Squares" nahe bringen lässt. Der Mann aus L. A. führt fernab von "Brad Pitt and Angelina Jolie shit" durch sein South Central und spielt dabei virtuos mit Stimmen, Tonlagen und farbenprächtigen Bildern.

Kail vereint im Gangsterrap glorifizierte Streetcredibility mit der Zungenfertigkeit britischer Grime-MCs und einem ganzen Rucksack voller Ironie und Cleverness, dass es eine wahre Freude ist. Wenn einer ausgehungert über die Silben galoppierend wie Busdriver den Witz eines Murs anliefert, fühle ich mich eigentlich schon mehr als gut bedient.

Dazu konzipiert Kail einen musikalischen Höllenritt, getrieben von satt wuppenden Bässen, funkelnder Big Band-Ästhetik, Dirty South-Anleihen, kranken Samples bis hin zu Computerspiel-Sounds, und bleibt dabei völlig gelassen: "Don't worry, they try to attack the tourbus every week".

Revuegirls auf Koks marodieren nebst Zwerchfell-erschütterndem Bass durch "Hawaiian Silky". Während "Wendy" oder "The Glitterati" auf pures Plastik setzen, taugte "Sweet Dick Willy", das sich heimtückisch aus dem Dunkel anschleichend zu einem Handkantenschlag ins Genick mausert, zur Untermalung jeden beliebigen Krimis. "Cola" zieht sämtliche Kitschregister, ehe "Three In The Morning" mit sperrigen, direkt auf das Nervenkostüm losgelassenen Drums aus "a little going home music" einen funktionierenden Rausschmeißer abgibt.

Keine Wünsche offen, also? Halt, einer leider doch: Ich wünschte, Kail hätte unterlassen, "True Hollywood Square" in das ermüdende Korsett eines Konzept-Albums zu quetschen. Roter Faden hin oder her: Endloses Zwischendurch-Gequatsche, das anfangs zwei-, dreimal amüsiert, schmälert im weiteren Verlauf das Vergnügen, selbst an exzellenten Tracks, erheblich.

Wenn ich dann beginne, mich zu fragen, ob das ewige "That IS that sexy shit!" des fiktiven Game-Show-Moderators vielleicht doch eine besonders perfide Form des Kopierschutzes darstellt, mit dem Vorab-Rezensionsexemplare für weitere Verbreitung unbrauchbar gemacht werden sollen, dann, schätze ich, hat einer den Bogen überspannt. Überaus schade.

Trackliste

  1. 1. Welcome To True Hollywood Squares
  2. 2. The Realest Motherfuckin' Tour Guide Ever
  3. 3. John Booboo
  4. 4. Hawaiian Silky
  5. 5. Peter Pennyworth
  6. 6. Wendy
  7. 7. Commercial Break
  8. 8. Sweet Dick Willy
  9. 9. Motorola Twins
  10. 10. Cola (The Rhapsody)
  11. 11. The Glitterati (Hood Rat Remix)
  12. 12. Three In The Morning

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