laut.de-Kritik
Vor allem die erste Album-Hälfte ist ein echtes Spektakel.
Review von Ulf KubankeNach der akustischen Schlaftablette "Secret Symphony" soll diesmal alles ein wenig anders sein. Tatsächlich ist Meluas sechste Platte "Ketevan" in Teilen besser gelungen als das, was die georgische Schönheit dem Publikum zuvor kredenzte. Zwischen Licht und Schatten, zwischen Drama und Langeweile rettet nicht selten das stimmliche Charisma.
Alles an und auf dieser LP schreit dem Hörer förmlich entgegen: Back to the Roots, Baby! Titel und das Cover-Artwork mit der wilden Brandung des Schwarzen Meeres betonen bewusst Katies georgischen Wurzeln. Und der georgische Kosename für "Katie" - "Ketevan" (Original: ქეთევან) geht auf die legendäre Königin Ketevan, die Märtyrerin zurück, die sich im 17. Jahrhundert als Geisel lieber vom persischen Schah zu Tode foltern ließ, als ihr Volk zu verraten.
Ganz so dramatisch geraten die musikalischen Gefühlswallungen der Grusinierin erfahrungsgemäß eher nicht. Natürlich ist Mike Batt wieder als songschreibendes Mädchen für alles am Start. Meluas Scheiben werden ohnehin immer mehr zum Batt'schen Familienprojekt. Als Produzent fungiert mittlerweile Filius Luke Batt. Einen klanglich relevanten Unterschied zu Katies frühen Glanztaten hört man jedoch nicht.
So manches Lied ist mal wieder ein melancholischer Kniefall vor Herbst und Winter. "Never Felt Less Like Dancing" schält sich als perfekt nuancierter Tränenzieher aus der nächtlichen Dunkelheit. Ihre Vocals und das herrlich lebensverneinend angeschlagene Piano bieten echte Emotion voller Weltschmerz. Unbedingt anchecken! Mit ästhetisch hintergründigem Percussionteppich und einem Hauch Loreena-Pathos segelt der Hörer mit "Sailing Ships From Heaven" zufrieden weiter.
Das von Melua mitkomponierte "Love Is A Silent Thief" spielt mit einem typisch schicken Bluesmotiv im James Bond-Balladenmantel. Insgesamt ist die erste Hälfte des Albums ein echtes Spektakel. Klarer Höhepunkt: Das gelungen angerockte "Shiver And Shake" mit seiner hypnotischen Melodieseligkeit.
Doch mit der talentierten Frau aus Kutaisi ist es wie mit dem Leben selbst. Während man noch in Verzückung schwelgt, hat der musikalische Niedergang längst begonnen. Statt wenigstens einmal genug Lieder für ein echtes Feuerwerk zu sammeln, flüchtet die Künstlerin im Verlauf erneut in geschmackvolle Allerweltsschablonen aus der abgenutzten Konfektionsabteilung des Singer/Songwritertums.
Das trotz schöner Zeilen betuliche "The Love I'm Frightened Of", das lauwarme "Where Does The Ocean Go?" oder dramaturgisch uninspiriertester Schlafwagenblues ("Mad Mad Men" oder"Idiot School"): Es ist so schade, dass Melua sich hier dem Schönklang gepflegter Langeweile hingibt, der vor allem den wilden Text zu "Mad Mad Men" unfreiwillig komisch konterkariert. In solchen Momenten möchte man sie rütteln, schütteln und ihr sagen, dass sie nicht der späte Eric Clapton ist.
1 Kommentar
Kann es sein, dass der Kritiker kein Freund von ruhiger, getragener Musik ist? Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass auch eine solche Platte/CD für gewisse Stimmungslagen im Leben genau das richtige ist.
Aber Musikgeschmack ist bekanntlich individuell und das ist gut so. Also danke für diese Meinung/Kritik.