laut.de-Kritik

Funky Grüße von Kitty und Lewis ohne Daisy.

Review von

Vor einigen Wochen lief die Amy Winehouse-Biographie im Kino. Eine Schlüsselszene zeigt einen Club, der in London sinnbildlich für das steht, was wir auf Kitty Livs Platte hören. Ronnie Scott's Jazz Club war der Lieblingsort von Amys Oma, und da platzt Amy nachmittags hinein. Sie sieht eine Band beim Proben, die so ziemlich diesen Sound macht, den hier Kitty in Albumlänge jammt.

Kitty kennt ihr. Kitty, Daisy und Lewis hießen die drei Geschwister Durham, kamen aus England und waren um 2010/11 herum ein bedeutender Name im Retro-Pop. Mit Abzweigungen in viele Genres von Country über Rockabilly bis Punk-Ska erweckten sie das Interesse der BossHoss. In einem gemeinsamen Track mit ihnen gingen sie dann bei uns besonders steil.

Aus Kitty wurde eine souljazzige Funkrockerin, die auf "Easy Tiger" souverän ihr Ding mit neuen Eigenkompositionen durchzieht.

Da klimpert das E-Piano in hellen Tupfern wie Regentropfen gegen ein Fenster. Wah-Wah-Riffs erden. Kitty saust mit der Stimme in den Keller, wenn es sein muss. Ein perfektes Amalgam aus dreckigem Spelunken-Sound, urbanem und elegantem Flair wälzt sich im Schlamm des Mississippi-Blues. Davon hat Kitty einigen auf Lager, zum Beispiel in "Nothing On My Mind (But You Babe)".

Streuselt der Opener "Sweet Dreams" noch psychedelisch gefärbte Akkorde dazwischen, zieht das Album dann immer tiefer in rustikale und raue Gefilde weiter. Unterhaltsam gestaltet sich der Jam durch all die Stücke, in denen Kitty Liv so tief versinkt, dass nur Fade-Outs sie befreien. Entsprechend bilden sich keine Längen. Das Album ist stringent und kurzweilig. Es blendet jeweils, wenn's am schönsten ist und vorläufig alles gesagt wurde, ab, und geleitet in den nächsten Track über.

Abgesehen von einzelnen zarten Intros und Momenten, dominiert straffer Funkrock die Scheibe. Allerdings nicht von der Sorte, wie zum Beispiel das Dan Reed Network oder Living Colour das Genre handhaben.

Mancherorts kommen Streicher zum Einsatz, so in "Passing You By". Bei der 31-jährigen Kitty Liv schiebt sich die Orgel, hin und wieder, nach vorne, und der Sound klingt eher spontan in einer Session erprobt als im Studio geplant. Tatsächlich flossen die Aufnahmen eins zu eins im live to tape-Verfahren in die Mikrofone.

Die Künstlerin aus Camden Town, Nord-London, setzt auf atmende Vibes. Die Beats schwingen lässig. Alles wirkt handgemacht und im größeren Vertrauen auf die Instrumente als auf Verstärker. Die Komponistin kann selbst Klavier und Kontrabass spielen, ist Schlagzeugerin und Gitarristin. Trotzdem, da ja alle Tonspuren simultan als Zusammenspiel entstanden, gibt's eine Begleit-Band.

Als Ko-Producer beteiligt sich Bruder Lewis. "Es ist wirklich Lewis' Schuld", offenbart Kitty in einem Interview mit Radio Eins, warum die Platte nach fünf Jahren Schreib- und Probenzeit jetzt auf einmal erscheint. "Er ermunterte mich, und dann entwickelten wir die Lieder." - Im Sommer 2019 war Kitty alleine bei einem Festival im UK aufgetreten. Daisy befand sich in einer Babypause. Eine Zeitlang versuchte das Trio, Daisys kleine Kinder um den Globus herum mit zu schleifen. Inzwischen trennt man Privates und Tourneen.

"Easy Tiger" ist sicherlich nicht das, was die drei Durhams sonst als Team gemacht haben. Es ist ein neues Projekt und schließt eine Marktnische. Denn sucht man für Kitty Durham a.k.a. Liv ähnliche aktive Artists, fällt einem - als wär's ein Wortspiel - erst mal Liv Warfield aus dem purpurfarbenen Prince-Universum ein. Und dann ganz lange gar niemand.

Am Ende können wir den Tipp mitnehmen, aufrechten Hauptes weiter durchs Leben zu gehen: "Keep Your Head Up High"! Dieser Song enthält ein erfrischend wildes Mundharmonika-Solo. Es lässt ordentlich die Sau raus.

Die LP macht Lust auf eine Live-Show. Das ist ein gutes Zeichen. Der Rough Cut-Charakter des Albums, wie ein Live-Mitschnitt ohne Applaus und Improvisation zu wirken, kommt sympathisch rüber. "Easy Tiger" ist angenehm direkt und geradeaus. Amy Winehouse und Mark Ronson galten als Fans von Kitty, Daisy & Lewis. Was Kitty und Lewis jetzt vorlegen, mutet sehr echt an und träfe wahrscheinlich Amys Geschmack.

Trackliste

  1. 1. Sweet Dreams
  2. 2. Neck On The Line
  3. 3. Coming Up
  4. 4. Nothing On My Mind (But You Babe)
  5. 5. The River That Flows
  6. 6. The Sun And The Rain
  7. 7. The Doctor
  8. 8. Lately
  9. 9. Passing You By
  10. 10. Keep Your Head Up High

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