laut.de-Kritik

In einer Reihe mit Nina Simone, Ella Fitzgerald und Chet Baker.

Review von

2016 kehrte Norah Jones mit ihrer aktuellen Platte "Day Breaks" zu ihren Jazz-Wurzeln zurück. Im Anschluss bestritt sie eine Welttournee. Diese führte sie 2017 gleich viermal ins legendäre Ronnie Scott's in London, das sie innerhalb kürzester Zeit ausverkaufte. Der dazugehörige Konzertfilm "Live At Ronnie Scott's", der nun auf DVD, Blu-Ray und als Download erscheint, hält einen dieser Abende für die Ewigkeit fest.

Somit steht die 39-jährige US-Amerikanerin in einer Reihe mit Ikonen wie Nina Simone, Ella Fitzgerald oder Chet Baker, die in der Vergangenheit im Ronnie Scott's ein Livealbum aufnahmen. Seine Pforten öffnete der Club erstmalig 1959. Er brachte einige der besten Musiker der britischen Jazz-Szene wie Drummer Tony Oxley und Pianist John Critchinson hervor. Die legten dort als Hausmusiker den Grundstein für ihre Karriere.

Norah Jones blickt dagegen rund eineinhalb Dekaden nach der Veröffentlichung ihres Debüts "Come Away With Me", das sich bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als 27 Millionen Mal verkaufte, auf insgesamt neun Grammyauszeichnungen zurück. Trotzdem verzichtet sie bei ihren Liveshows auf ein opulentes Orchester oder aufwendige Effekte. Um das Publikum für knapp 90 Minuten zu verzaubern, genügt ihr eine kleine, minimalistisch ausgestattete Location. Da hätte sie kaum eine bessere Wahl als das Ronnie Scott's treffen können, das mit knapp 250 Sitzplätzen eine sehr überschaubare Kapazität aufweist.

Außerdem sah man sie seit langem wieder am Klavier, das zuletzt meist der poppigeren Ausrichtung zum Opfer gefallen war. Zusammen mit Schlagzeuger Brian Blade und Kontrabassist Chris Thomas, die ebenso auf "Day Breaks" mitwirkten, besinnt sie sich während des Auftrittes auf die zurückgenommene Essenz der einzelnen Songs. Dabei präsentiert sie auf der Bühne überwiegend neues, ruhiges Material. Der Abend zeichnet sich demnach durch eine unaufdringliche und intime Atmosphäre aus.

Mit der Ballade "Sleeping Wild" und einer mitreißenden Version von Neil Youngs "Don't Be Denied" findet Jones einen gelungenen Einstieg in die Show. In der Mitte des Sets platziert sie ein herausragendes, sanft dahingehauchtes Cover von Duke Ellingtons "Fleurette Africaine". Danach folgt "Flipside" als dynamischer Ausreißer. "Tragedy" zeugt von den bluesigen Qualitäten der US-Amerikanerin. Zum Schluss erstrahlt ihr Klassiker "I've Got To See You Again" in einem reduzierten Soundkorsett. Letzten Endes legt sie den Schwerpunkt dieses Auftrittes auf ihre samtig-weiche, aber rauchige Stimme.

Trotz alledem erweitert sie mit ihren ausgelassenen Improvisationen am Piano der Marke Wurlitzer Songs wie "Sinkin' Soon" und "Fleurette Africaine" um zusätzliche Nuancen und Feinheiten. Live geht sie also etwas experimentierfreudiger zu Werke als auf Platte. Zusätzlich bildet sie mit ihren beiden Mitmusikern auf der Bühne ein brillant eingespieltes Team. Chris Thomas fungiert als versierter Rhythmusgeber und Brian Blade gelingt es, mit seinem polyrhythmischen Spiel in Tracks wie "After The Fall" oder "Nightingale" individuelle Akzente zu setzen.

Andererseits fällt es Norah sichtlich schwer, ihre Schüchternheit gegenüber dem Publikum abzulegen. Nur sporadisch baut sie während der Show Blickkontakt zu den Gästen im Club auf. Hinter ihrem Flügel lässt sie ganz allein die Musik für sich sprechen.

Dennoch wandelt sie diese vermeintliche Schwäche mit ihrer natürlichen und herzhaften Ausstrahlung in eine persönliche Stärke um. Ihren leisen Klängen und ihrer warmen Stimme widmen die Zuschauer bis zum letzten Ton ihre volle Konzentration und Hingabe. Am Ende bleibt ein unvergesslicher Abend, der mit "Live At Ronnie Scott's" in angemessener Bild- und Tonqualität eine stimmige Aufbereitung erfährt.

Trackliste

  1. 1. Sleeping Wild
  2. 2. Don't Be Denied
  3. 3. After The Fall
  4. 4. Sinkin' Soon
  5. 5. Out On The Road
  6. 6. And Then There Was You
  7. 7. It's A Wonderful Time For Love
  8. 8. Fleurette Africaine
  9. 9. Flipside
  10. 10. Day Breaks
  11. 11. Nightingale
  12. 12. Tragedy
  13. 13. Little Broken Hearts
  14. 14. Carry On
  15. 15. Don't Know Why
  16. 16. I've Got To See You Again

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