laut.de-Kritik

Schlechte Laune als Selbstermächtigung.

Review von

Die übellaunigste Band Wiens in der eh schon übellaunigen Hauptstadt Österreichs* Kreisky bringt mit "Adieu Unsterblichkeit" ihr siebtes Album heraus. Ihr vorletztes Werk "Blitz" (2018) verschob ihren rotzig-rockigen Sound in Richtung Pop, der Coming-Of-Age-Nachfolger "Atlantis" (2021) geriet für ihre grantlige Art fast schon versöhnlich, und nun zeigen sie sich wieder ziemlich finster und befassen sich mit dem unvermeidlich wienerischen Thema Tod und seinen düsteren Verwandten Morbidität und Vergänglichkeit.

Eingekleidet werden die abgründigen Sujets in vielfältige und vielseitige Genre-Wechsel, wir hören Mathrock, Krautrock, Noise, Horror-Soundtrackartiges, Pop-Experimente oder Art-Rock – und das auch innerhalb eines Songs. "Geh mir aus der Sonne" startet im dunklen Post-Punk, um dann kurz in Sixties-Seligkeit zu schwelgen und wieder im Mathrock zu enden.

Highlight ist der grandiose achtminütige Schlusstrack "Was ist das für eine Welt", der mit krautigem Beat mehrfach seine Richtung wechselt. Genau so, wie wir alle gerade von den Widersprüchlichkeiten der Welt hin und her geschleudert werden.

Kreiskys Texte sind in ihrer 20-jährigen Bandgeschichte von Wahnwitz und Wortwitz geprägt, von Selbstironie und Schrägheit. Das Kokettieren mit der eigenen Vergänglichkeit und die gleichzeitige Energie der Musik klingen dabei auf "Adieu Unsterblichkeit" nur paradox – Kreisky lösen diesen nur scheinbar unauflöslichen Widerspruch lässig auf.

Die Band gründete sich im Jahr 2005, als vom heutigen neuen Austropop-Boom noch nicht viel zu spüren war. Doch ohne sie wären Wanda, Bilderbuch, Der Nino aus Wien etc. wohl in dieser Form nie entstanden.

Als man begann, wollte man sich deutlich abgrenzen von der "Schundstufe der Hamburger Schule", erklärt Sänger Franz Adrian Wenzl, der vielen eher als Austrofred bekannt sein dürfte – einer Kunstfigur, die in absurd-anbetungswürdiger Freddie-Mercury-Optik Queen-Lieder auf österreichisch darbietet. So wird bei ihm aus "Another One Bites The Dust" eben "Eich Dodln gib i Gas".

Schlechte Laune als Selbstermächtigung: Das ist das Geheimrezept von Kreisky, auch 2025, einem Jahr, in dem eh alle übellaunig sind. "Adieu Unsterblichkeit" fungiert dabei als Katharsis zwischen Grant und Gefühl.

*wobei der Ruf als unfreundlichste Stadt Europas immer mehr mit Stolz betrachtet wird, ist der Grant doch ein charakteristisches Hauptmerkmal neben dem Schmäh – und weil Wien eben widersprüchlich charmant ist, wurde zum Ärger der BewohnerInnen Wien 2025 überraschend zur freundlichsten Stadt Europas von Reisenden gewählt. Und hier ist es wieder: Das Paradox – ein eh nur scheinbar unauflöslicher Widerspruch.

Trackliste

  1. 1. Ein fertiges Leben
  2. 2. Fressen
  3. 3. Adieu Unsterblichkeit
  4. 4. Die Pedale
  5. 5. Ein sauberes Hemd
  6. 6. Geh mir aus der Sonne
  7. 7. Die Idee war gut
  8. 8. Nachtstück
  9. 9. Was ist das für eine Welt

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